Wollen Chef:innen eine Videoüberwachung in der Apotheke nutzen, sind Personalräume und Co. tabu. Außerdem ist eine heimliche Überwachung nur erlaubt, wenn es einen wichtigen Grund dafür gibt, zum Beispiel, um einen Arbeitszeitbetrug nachzuweisen. Doch dabei ist Vorsicht geboten. Denn nicht immer ist eine Videoaufzeichnung als Beweis zulässig, wie ein Angestellter vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen gezeigt hat.
Was war passiert? Über ein anonymes Hinweisgebersystem im Betrieb erhielt der Arbeitgeber einen Tipp, wonach der Angestellte mehrfach Arbeitszeitbetrug begangen habe. Daraufhin griff der Chef auf die Aufzeichnungen der Videokameras zurück, die er im Betrieb platziert hat. Die Aufnahmen belegten angeblich die Tat, woraufhin der Beschäftigte die fristlose Kündigung erhielt beziehungsweise vorsorglich ordentlich fristgemäß zum nächstmöglichen Termin gekündigt wurde.
Das Problem: Zwar waren die Mitarbeitenden per Betriebsvereinbarung über die Kameras informiert worden, allerdings wurde ihnen zugesagt, dass die entsprechenden Videoaufzeichnungen maximal 96 Stunden, also vier Tage, gespeichert würden. Der Chef griff jedoch auf deutlich älteres Material zurück, sodass die Kündigung in den Augen des Mitarbeiters unwirksam war. Immerhin habe der Chef gegen das eigene Betriebskonzept verstoßen und die Videoaufzeichnung somit unrechtmäßig als Beweis genutzt.
Arbeitszeitbetrug: Alte Videoaufzeichnung als Beweis unzulässig
Das sah auch das Gericht so und wies die Kündigung als unwirksam zurück. Demnach habe der Arbeitgeber durch die Nutzung der Videoaufzeichnung den Beweis für den Arbeitszeitbetrug widerrechtlich erlangt. „Der – erstmalige – Zugriff auf Videoaufzeichnungen, die mehr als ein Jahr zurückliegen, ist zum Zwecke der Aufdeckung eines behaupteten Arbeitszeitbetruges regelmäßig nicht angemessen. Solche Daten unterliegen im Kündigungsschutzprozess einem Beweisverwertungsverbot“, heißt es zur Begründung im Urteil. Stichwort Datenschutz. Denn durch die Betriebsvereinbarung durfte sich der Angestellte eigentlich darauf verlassen, dass Aufzeichnungen, die älter als 96 Stunden sind, nicht mehr genutzt werden.
Mehr noch. Das Gericht stellte außerdem die Wirksamkeit der Videoüberwachung an sich infrage. „Zur Kontrolle geleisteter Arbeitszeiten ist eine Videoüberwachungsanlage an den Eingangstoren eines Betriebsgeländes in der Regel weder geeignet noch erforderlich“, heißt es im Urteil. Hinzu kommt, dass es sich bei der Dauer und Intensität der Videoüberwachung um einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Angestellten handelte, der in keinem Verhältnis zu seinem Zweck stehe. Somit war der vorgeworfene Arbeitszeitbetrug nicht bewiesen.
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