An die Rückrufwelle im Sommer 2018 kann sich wohl jede/r PTA noch erinnern. Verschiedene Hersteller mussten Valsartan aufgrund einer potentiellen Verunreinigung mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) zurückrufen. Mehr noch: Bei den Patient:innen herrschte Verunsicherung, denn das Nitrosamin wird als potentiell kanzerogen eingestuft. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat in einer Studie das Risiko für Krebs von verunreinigtem Valsartan untersucht. Das Ergebnis lässt aufatmen.
Die gute Nachricht vorweg: Die Studie des BfArM zu mit NDMA-verunreinigtem Valsartan zeigt im Ergebnis kein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt.
NDMA in Valsartan: Risiko für Krebs insgesamt nicht erhöht
Wie kam es zu dem Ergebnis? Expert:innen des BfArM haben in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) Krankenkassenroutinedaten von mehr als 25 Millionen AOK-Versicherten ausgewertet. Dabei wurden alle Patient:innen, die zu Jahresbeginn 2012 mindestens 40 Jahre alt waren und zwischen 2012 und 2017 mindestens ein Valsartan-Rezept eingelöst hatten, berücksichtigt – insgesamt 780.871 Personen. Außerdem ermittelten die Wissenschaftler:innen anhand der PZN des abgerechneten Arzneimittels, ob dieses potenziell mit NDMA verunreinigt war. Die Summe der Patinent:innen reduzierte sich auf 409.183 Personen, 371.688 Versicherte hatten keinen Kontakt. Endpunkt der Studie war eine neue Krebsdiagnose, die nach der Valsartan-Verschreibung gestellt wurde.
Das Fazit: „Ein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt wurde im untersuchten Zeitraum weder für eine dreijährige Langzeitanwendung festgestellt noch in Abhängigkeit der Dosierung.“
NDMA gehört zu den Nitrosaminen, wird für den Menschen als wahrscheinlich krebserregend eingestuft und sorgte 2018 für einen Skandal bei Valsartan. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Verunreinigungen im Zuge einer Umstellung im Produktionsprozess im Jahre 2012 aufgetreten sind. Deren Ziel war es, die Ausbeute zu erhöhen. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) leitete 2018 ein Risikobewertungsverfahren ein. Die Herstellungsprozesse wurden untersucht und ein neuer Grenzwert festlegt: Für NDMA wird das für die Sartane festgelegte Maximum herangezogen. Pro Tag sollte demnach eine Menge von 96 ng (entsprechend 96 ppB) nicht überschritten werden. Die pharmazeutischen Unternehmer:innen sind zudem in der Pflicht, Maßnahmen in ihren Herstellungsprozessen zu ergreifen, um das Vorhandensein der Verunreinigung zu vermeiden.
Risiko für Leberkrebs gering erhöht, aber kein kausaler Zusammenhang
Die Kehrseite der Medaille: Die Wissenschaftler:innen stellten für das Auftreten von Leberkrebs „ein statistisch signifikantes, wenngleich auch gering erhöhtes Risiko fest.“
Wie es dazu kam? Die BfArM-Studie analysierte auch einzelne Krebsarten – auf Leberkrebs wurde dabei ein besonderes Augenmerk gelegt, denn aus rein biologischer Sicht gelte Leberkrebs als wahrscheinlichste Krebsart nach oraler NDMA-Exposition. Alters- und geschlechtsbereinigt wurde ein Anstieg bei der Inzidenzrate von 34,6 auf 39,1 pro 100.000 Personenjahre registriert. Ein direkt kausaler Zusammenhang zwischen Verunreinigung und Erkrankung könne jedoch nicht abgeleitet werden.
Warum nicht? Die Studie beruht auf Krankenkassenroutinedaten. Besondere Störfaktoren wie Rauchen, Ernährungsgewohnheiten oder genetische Prädisposition konnten daher nicht berücksichtigt werden. Außerdem konnten keine mittel- und langfristigen Krebsrisiken aufgrund des begrenzten Beobachtungszeitraums untersucht werden.
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