Venlafaxin: Lieferausfall wegen Securpharm-Siegel?
Venlafaxin ist seit Monaten nur eingeschränkt oder gar nicht lieferbar. Doch was ist der Grund dafür? Was sind die sagenumwobenen Produktionsprobleme, die die Hersteller auf der Liste der beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldeten Lieferengpässe als Ursache angeben? Sind Probleme mit dem Securpharm-Siegel der Grund für den Engpass?
Verschreibungspflichtige Arzneimittel müssen zwei Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung tragen. So fordert es das im Februar vergangenen Jahres eingeführte Securpharm-System, dessen Ziel es ist, Patienten vor gefälschten Arzneimitteln zu schützen. Die Packungen müssen einen Erstöffnungsschutz, das sogenannte Anti-tampering Device, und ein individuelles Erkennungsmerkmal, den Unique Identifier (Data-Matrix-Code), der Grundlage für die Echtheitsprüfung ist, tragen.
Was ist der Grund für den Venlafaxin Lieferausfall?
Der Erstöffnungsschutz könnte im Fall Venlafaxin Grund für den Lieferausfall sein. Diese Information sollen Apotheker vom Hersteller Heumann, der aufgrund von Rabattverträgen einen Marktanteil von 50 Prozent hat, telefonisch erhalten haben. Möglich wäre, dass Kleber und Verpackung nicht kompatibel waren und es zu einer Ablösung des Securpharm-Siegels kam. Denn nicht jeder Kleber haftet gleich gut auf den Faltschachteln, denn die Oberflächen der Umverpackungen können in Abhängigkeit von der Bedruckung variieren. Für den Erstöffnungsschutz gibt es vier Möglichkeiten: Siegel, Heißleim, Perforierung oder Einfolierung. Heißleim hat sich scheinbar durchgesetzt, denn zwei Drittel aller Fertigarzneimittel sind so verschlossen.
Die Lieferausfälle bei Venlafaxin betreffen alle Generikahersteller. Laut BfArM scheint jedoch ein Ende in Sicht. Mitte November war der Arzneistoff Thema beim Jour Fixe. „Ein Lieferabriss ist nach Kenntnis des BfArM nicht eingetreten,“ hieß es. Laut Behörde sollte die Liefersituation bis Ende 2019 verbessert sein. Eine umfassende Verfügbarkeit wird für das Ende des ersten Quartals 2020 prognostiziert. Zudem ist Venlafaxin nicht auf der Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe zu finden, so die Experten.
Wirkstoffcheck Venlafaxin
Der selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) wird zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen eingesetzt. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind schätzungsweise etwa 5,2 Prozent der Deutschen depressiv. Das sind etwa 4,1 Millionen Menschen. Wird die Behandlung beendet, sind Absetzungerscheinungen möglich, die bis zu einem Monat anhalten können.
Weil Venlafaxin nicht lieferbar ist, können Absetzungserscheinungen wie neurologische Störungen oder psychische Veränderungen die Folge sein. Eine Umstellung der Patienten ist nicht so einfach möglich. Zu den SSNRI gehören zwar auch Duloxetin und Milnacipran. Doch die Arzneistoffe unterscheiden sich vor allem in ihrem Einfluss auf den Noradrenalinspiegel. Zum Vergleich: Venlafaxin besitzt eine 30-fach höhere Selektivität für Serotonin, bei Duloxetin ist es etwa das 10-Fache. Milnacipran blockiert beide Neurotransmitter gleichermaßen.
Das könnte dich auch interessieren
Mehr aus dieser Kategorie
Lieferengpass und Dringlichkeitsliste: Neue Regeln beim E-Rezept
Beim E-Rezept gelten seit dem 15. April neue Dokumentationsregeln für Abweichungen von der Verordnung aufgrund eines Lieferengpasses und für Arzneimittel …
Pflegehilfsmittel: Neuer Vertrag gilt ab Juni
Apotheken, die auch nach dem 31. Mai Versicherte mit Pflegehilfsmitteln zum Verbrauch versorgen wollen, müssen dem neuen Vertrag beitreten. Eine …
Herstellerrabatt: AOK retaxiert Mounjaro
Die AOK Sachsen-Anhalt verschickt derzeit Mounjaro-Retaxationen über den Herstellerrabatt. Der Grund ist ein technischer Fehler in der Adba-Datenbank. Retaxiert werden Mounjaro-Verordnungen, …