In Deutschland leben etwa 1,3 Millionen Veganer*innen, Tendenz steigend. Wurden die Trendsetter des Veganismus einst belächelt, ist der Verzicht auf tierische Produkte inzwischen mehr als nur eine Modeerscheinung oder ein Trend und längst gesellschaftsfähig. Es gibt beispielsweise vegane Schuhe, Supermärkte oder Restaurants. Aber wie sieht es mit veganen Arzneimitteln aus?
Wer vegan lebt, verzichtet auf mehr als nur Lebensmittel tierischen Ursprungs. Ledertaschen, -schuhe und -gürtel, Seide oder Wolle, aber auch Haarbürsten oder Make-up-Pinsel mit Tierborsten sind in einem veganen Haushalt nicht zu finden. In der Apotheke stellt sich immer öfter die Frage, ob ein Arzneimittel eigentlich vegan ist. Bei der Beurteilung sind aber nicht nur die Inhaltsstoffe wie Wirk- und Hilfsstoffe, sondern auch die Arzneimittelentstehung und -entwicklung, sprich die Frage nach Tierversuchen, zu betrachten.
Hilfsstoffe
Lactose ist ein weitverbreiteter Hilfsstoff. Milchzucker kommt häufig als Füllstoff zum Einsatz und ist nicht nur für Patienten mit einer Lactoseintoleranz, sondern auch für Veganer ein Problem. Eine Alternative können Tropfen sein.
Gelatine ist tierischen Ursprungs und somit für Veganer ungeeignet. Als Alternativen für vegane Arzneimittel eignen sich Kapseln aus Cellulose oder auch Carrageen (aus Rotalgen) oder auf Stärkebasis.
Magnesiumstearat kann sowohl pflanzlichen als auch tierischen Ursprungs sein. So kann der Hilfsstoff – oder vielmehr die Stearinsäure – unter anderem aus Soja oder Raps sowie Rindertalg oder Schweineschmalz gewonnen werden. Auskunft über die Herkunft kann der Hersteller geben.
Dragees können mit Schellack ummantelt sein. Auch diese Arzneimittel sind für Veganer ungeeignet, denn Schellack wird aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus gewonnen und kommt als Überzug und Farbstoff zum Einsatz.
Auch die Grundlagen halbfester Zubereitungen können tierischen Ursprungs sein. Beispiele sind Woll- oder Bienenwachs.
Wirkstoffe
Für einige Wirkstoffe tierischen Ursprungs gibt es inzwischen zum Teil Alternativen, denn sie können auch biotechnologisch gewonnen oder gentechnisch hergestellt werden. Für andere wiederum gibt es keine Alternative.
Pankreasenzyme werden aus Schweine-Pankreas gewonnen, eine Alternative für vegane Arzneimittel sind Rizoenzyme. Sie werden aus dem Myzel japanischer Reispilzkulturen extrahiert. Dazu zählen die Lipase aus Rhizopus oryzae sowie Amylase und Protease aus Aspergillus oryzae. Die Pilzenzyme sind in einer pflanzlichen Cellulosekapsel erhältlich. Das Präparat ist allerdings nicht für Veganer, sondern nur für Vegetarier zur Unterstützung der körpereigenen Verdauung bei einem Pankreasenzymmangel geeignet. Der Grund: Die Kapsel enthält Lactose und ist somit nicht vegan.
Insuline wurden einst aus Pankreas von Schwein und Rind gewonnen. Inzwischen erfolgt die Herstellung gentechnisch aus Mikroorganismen wie Saccharomyces cerevisiae oder E. coli.
Hyaluronsäure wird inzwischen auch nicht mehr nur aus Hahnenkämmen gewonnen, sondern biotechnisch aus Hefe und Bakterien durch Fermentation.
Alternativen gibt es auch für Heparin aus der Darmschleimhaut von Schweinen mit dem synthetisch hergestellten Fondaparinux.
Der Wirkstoff Estrogen kann ebenfalls tierischen Ursprungs sein, denn das Hormon wird aus Stutenharn gewonnen. Eine Alternative ist die synthetische Gewinnung des Sexualhormons.
Impfstoffe werden in Hühnereiern oder tierischen Zellen produziert. Eine Alternative gibt es derzeit noch nicht.
Vitamin D kann zum einen aus Lanolin aus der Schafschurwolle gewonnen werden. Dazu wird dieses mit UV-B-Strahlung behandelt und kann somit tierischen Ursprungs sein. Eine Alternative für vegane Arzneimittel sind Pilze und Flechten. Auch hier kommt UV-B-Strahlung ins Spiel, allerdings muss das entstandene Vitamin D2 noch mithilfe von Enzymen in Vitamin D3 umgewandelt werden.
Omega-3 wird meist aus Fischöl gewonnen. Die vegane Alternative liefert pflanzliches Algenöl, das reich an EPA- und DHA ist.
Tierversuche
Im Laufe der Zulassung kommt es bei neuen Arzneistoffen in klinischen Studien zu Tierversuchen. Diese bleiben bei der Einführung von Generika aus – die somit zumindest in puncto Tierversuche als vegane Arzneimittel eingestuft werden können.
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