Ungleicher Urlaub: Unterschiede erlaubt?
Abgesehen von einem höheren Gehalt hegt die Mehrheit der Apothekenangestellten den Wunsch nach mehr Freizeit – sprich flexiblere Arbeitszeiten und/oder mehr Urlaub, wie eine aposcope-Befragung gezeigt hat. Doch die freien Tage sind meist keine Verhandlungssache, denn der Anspruch ist für alle Angestellten gleich, oder? Sind Unterschiede beim Urlaub erlaubt?
Apothekenangestellte haben laut Bundesrahmentarifvertrag bei einer Sechs-Tage-Woche Anspruch auf 34 Tage Urlaub pro Jahr. Gleiches gilt für das Tarifgebiet Sachsen, während es in Nordrhein 33 Urlaubstage sind. Bei Teilzeitkräften wird der jeweilige Anspruch durch eine Umrechnung von Werk- in Arbeitstage ermittelt. Beschäftigte mit einer Betriebszugehörigkeit ab fünf Jahren bekommen einen zusätzlichen freien Tag. Ansonsten muss der Urlaubsanspruch für alle Beschäftigten gleich sein – oder sind Unterschiede beim Urlaub erlaubt? Die Antwort liefert ein früheres Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG).
Der Fall
Dabei ging es um eine Beschäftigte, in deren Betrieb einigen Beschäftigten mehr freie Tage zugesprochen wurden als anderen. Konkret erhielten Angestellte ab 58 Jahren zwei zusätzliche Urlaubstage. Für Mitarbeiter:innen unter dieser Grenze galt dagegen der reguläre Anspruch von 34 Urlaubstagen. Als Grund dafür nannte der Arbeitgeber einen erhöhten Erholungsbedarf bei älteren Arbeitnehmenden im Betrieb.
Unterschiede beim Urlaub je nach Alter seien laut Bundesurlaubsgesetz jedoch nicht vorgesehen, so die Ansicht der Frau. Mehr noch: Sie sah darin eine Diskriminierung beziehungsweise Benachteiligung, die gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt. Dieses verbietet eine Benachteiligung unter anderem bei Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“. Außerdem habe der Arbeitgeber nicht begründet, warum die Altersgrenze genau bei 58 Jahren gezogen wurde. Die Frau wollte folglich die beiden zusätzlichen freien Tage auch für sich selbst geltend machen.
Unterschiede beim Urlaub = Diskriminierung?
Dem Wunsch erteilten die Erfurter Richter:innen jedoch eine Absage. Zwar liege durch die Unterschiede beim Anspruch auf Urlaub insgesamt eine Ungleichbehandlung beziehungsweise Benachteiligung vor. Denn diese sei laut AGG bereits dann gegeben, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, heißt es im Urteil.
Allerdings sei dies im vorliegenden Fall zulässig, da die unterschiedliche Behandlung objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Denn gemäß § 10 AGG ist es erlaubt, besondere Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen für Beschäftigte bestimmter Altersgruppen – beispielsweise Jugendliche oder ältere Angestellte – festzulegen, um diese zu schützen. Hinzukommt, dass Arbeitgebenden bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen – wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört – ein Gestaltungs- und Ermessensspielraum zustehe, so das BAG.
Im Klartext bedeutet das: Unterschiede beim Urlaub je nach Alter von Beschäftigten können erlaubt sein – allerdings nur, wenn diese laut AGG gerechtfertigt werden.
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