Trotz Tarifvertrag kein Tariflohn?
Viele Apotheken kämpfen angesichts stark gestiegener Ausgaben, Honorarkürzungen und Co. um das finanzielle Überleben. Da ist für Gehaltssprünge der Mitarbeitenden meist nichts mehr übrig. Im Gegenteil: Einige Chef:innen können sich nicht einmal das Tarifgehalt leisten. Doch trotz Tarifvertrag beziehungsweise Tarifbindung weniger als Tariflohn zu zahlen, ist unzulässig, oder?
Allgemein gilt: Tarifbindung besteht, wenn beide Parteien Mitglied in der jeweiligen Berufsorganisation sind – Chef:innen im Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken beziehungsweise der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein oder dem Sächsischen Apothekerverband und Angestellte Mitglied der Adexa. Beschäftigte müssen außerdem im jeweiligen Tarifgebiet angestellt sein, um von der Tarifbindung zu profitieren. So weit, so bekannt.
Doch auch wenn dies nicht der Fall ist, können Apothekenangestellte unter Umständen auf eine tarifliche Bezahlung bestehen, beispielsweise wenn dies im Arbeitsvertrag entsprechend geregelt ist. Aber was gilt andersherum – dürfen Chef:innen trotz bestehender Tarifbindung und geltendem Tarifvertrag unter Tariflohn bezahlen?
Bei geltendem Tarifvertrag gilt auch Tariflohn – oder?
Nein. Denn fest steht: Sofern Tarifbindung besteht, gelten die Regelungen für alle Mitglieder unmittelbar und zwingend, stellt der Deutsche Gewerkschaftsbund klar. Das bedeutet, weder dürfen die in den jeweiligen Rahmentarifverträgen festgelegten Arbeitsbedingungen – darunter Urlaubstage, Überstundenzuschläge und Co. – noch die in den entsprechenden Gehaltstarifverträgen vereinbarten Gehaltsstufen unterlaufen werden, und zwar unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Apotheke.
Wie immer gibt es jedoch Ausnahmen. Ein Beispiel ist, wenn die Tarifbindung durch Tarifflucht des/der Chef:in aufgehoben wird. Dafür muss jedoch eine neue Vereinbarung im Arbeitsvertrag getroffen werden, auf die sich beide Parteien einigen. „Diese Vereinbarungen sind unabhängig von den jeweils geltenden Tarifverträgen und liegen nicht im Zuständigkeitsbereich der tarifschließenden Parteien (ADEXA, ADA, TGL)“, betont die Adexa. Die tariflichen Regelungen können damit ausgehebelt werden. Doch Achtung: Auch wenn der Arbeitsvertrag eine Regelung vorsieht, nach der unter Tariflohn bezahlt wird, greift diese nicht, solange die Tarifbindung nicht beendet wurde. Denn generell gilt, dass bei mehreren Regelungen stets die für Angestellte vorteilhaftere greift.
Öffnungsklauseln erlauben Abweichen von Tarifvertrag
Eine weitere Ausnahme, unter der trotz Tarifvertrag unter Tariflohn bezahlt werden darf, wird durch sogenannte Öffnungsklauseln ermöglicht. „Sie erlauben, dass die Tarifparteien für eine bestimmte Zeit ein ,Fenster‘ in den Tarifvertrag setzen, das es den Betriebsparteien ermöglicht, bestimmte Inhalte anders zu regeln“, heißt es von der IG Metall. Die entsprechenden Klauseln können entweder allgemein – sprich nicht auf bestimmte Regelungsbereiche oder Situationen beschränkt – oder anlassbezogen sein, beispielsweise wenn die Apotheke aufgrund größerer Anschaffungen aktuell in einer finanziell angespannten Lage ist. Voraussetzung ist jedoch, dass entsprechende Klauseln in den jeweiligen Tarifverträgen geregelt sind.
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