Seit inzwischen knapp zwei Jahren steht fest: Die Arbeitszeit von Angestellten muss erfasst werden. So schreibt es ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vor. Doch trotz der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist diese nur bei rund vier von zehn Angestellten Thema.
Bereits seit einem 2019 vom Europäischen Gerichtshof gefällten Urteil ist klar: Arbeitgebende müssen „zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer ein objektives, verlässliches und zugängliches System einführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.“ Dies hat auch das BAG in seinem Urteil vom 13. September 2022 bestätigt. Somit müssen nicht nur Überstunden dokumentiert werden, sondern auch die reguläre Arbeitszeit.
Im Frühjahr 2023 hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil einen entsprechenden Entwurf für die Reform des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vorgelegt, der eine verpflichtende elektronische Erfassung regeln sollte. Doch in Kraft getreten ist die Regelung bisher nicht. Dennoch gilt gemäß EU-Rechtsprechung schon jetzt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, und zwar für Chef:innen und Angestellte.
Arbeitszeiterfassung: Keine Priorität für Chef:innen
Doch die Realität sieht anders aus. Hierzulande wird demnach nur von 41 Prozent der Beschäftigten eine Arbeitszeiterfassung verlangt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Personaldienstleisters SD Worx, für die rund 18.000 Arbeitnehmer:innen und mehr als 5.100 Arbeitgebende in 18 europäischen Ländern befragt wurden. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt sind es knapp 34 Prozent der Beschäftigten, die ihre Arbeitszeit erfassen müssen. Auf Seiten der Chef:innen genießt das Thema hierzulande dagegen nur bei 15 Prozent Priorität. Stattdessen setzt fast die Hälfte der Arbeitgebenden lieber auf Leistungskontrollen der Mitarbeitenden.
Jahresarbeitszeitkonto: Arbeitszeit einmal monatlich kontrollieren
Für Apothekenangestellte kann die Erfassung unter anderem über das Jahresarbeitszeitkonto erfolgen. Dieses ermöglicht Chef:innen und Arbeitnehmenden mehr Flexibilität in Sachen Arbeitszeit. Denn diese kann zwischen 29 und 48 Stunden pro Woche variieren. Allerdings muss die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit explizit vereinbart werden. Außerdem müssen die gearbeiteten Zeiten nicht nur dokumentiert, sondern auch von dem/der Chef:in kontrolliert werden – seit dem Inkrafttreten des neuen Bundesrahmentarifvertrags einmal im Monat. Die Erfassung kann dabei auch elektronisch erfolgen, solange Plus- und Minusstunden aus den jeweiligen Aufzeichnungen klar hervorgehen und das Arbeitszeitkonto für Angestellte jederzeit einsehbar ist.
Übrigens: Wie die Arbeitszeit erfasst wird, dürfen Arbeitgebende nicht allein entscheiden.
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