„PTA gesucht (m/w/d)“ – Obwohl Transidentität längst im Alltag angekommen ist, beziehungsweise sein sollte, hapert es vielfach an Akzeptanz in der Gesellschaft. Mehr noch: Selbst im Gesundheitsbereich haben es Trans*-Personen oft alles andere als leicht. Das will die Schönhauser Apotheke in Berlin ändern und trägt mit dem Beratungsschwerpunkt Transmedizin zu mehr Aufklärung bei.
„Es gibt gefühlt für jeden Bereich eine Apotheke mit Beratungsschwerpunkt, sei es Homöopathie, Kinderwunsch oder Diabetes. Nur für sexuelle Gesundheit und insbesondere Transmedizin eben nicht“, erklärt Apothekeninhaber Nico. Dabei sei die Apotheke genau die richtige Anlaufstelle. „Durch unsere Ausbildung haben wir ohnehin schon eine große Gesundheitsexpertise und können dazu auch beraten.“ Und so entschied er sich mit seinem Team, den Bereich Transmedizin mit in das Portfolio der Apotheke zu nehmen.
Den Anstoß dafür gab letztlich eine Beratungssituation. Demnach übergab Nico einem vermeintlich männlichen Kunden ein Arzneimittel für eine Präexpositionsprophylaxe (PreP), ohne zu wissen, dass es sich um eine Trans*-Person handelt, wodurch es zu Abweichungen bei der empfohlenen Einnahme kommen kann. Mit solchen Situationen sollte Schluss sein.
Transmedizin: Aufklärung ist das A und O
Inzwischen berät die Apotheke rund 150 queere Personen und die Zahl wächst, wie auch die Community. Und zwar nicht nur in großen Städten, wie oft angenommen. Im Gegenteil: Transidentität spielt auch in ländlichen Regionen eine Rolle, auch wenn sie dort vielleicht weniger präsent erscheinen mag. Prozentual auf die jeweilige Bevölkerung gerechnet, gibt es jedoch oftmals keinen Unterschied zwischen einer großen Stadt und einer ländlichen Region, was den Anteil an queeren Menschen oder Trans*-Personen angeht, betont das Team. Umso wichtiger seien gezielte Beratungsangebote.
Auf den Umsatz komme es dabei nicht an, denn der sei aufgrund des hohen Anteils an Selbstzahler:innen ohnehin eher gering. „Unser Ziel ist es, Apotheke neu zu definieren, also Schluss mit der Angstatmosphäre.“ Viele Trans*-Menschen müssen sich tagtäglich erklären, sei es in der Arztpraxis, im beruflichen Kontext oder im Privatleben, erklärt das Team. Die Apotheke sollte daher ein Safe Space sein, an dem alle Fragen offen angesprochen und ausgeräumt werden können.
Hinzu kommt das Problem der Falschinformationen. „Viele Trans*-Menschen müssen sich im Internet informieren, weil es eben kaum fundierte Beratungsangebote gibt. Und dort kursieren jede Menge Falschinformationen, die zur Gefahr für die Gesundheit werden können.“ Was zählt, sei daher Aufklärung. „Es ist nicht unser Job, zu urteilen oder zu maßregeln, sondern das Problem zu lösen und im besten Fall dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht dazu kommt“, betont Alex, PTA in der Schönhauser Apotheke.
Offenheit und Bereitschaft zeigen
Auch für das Team selbst war der Bereich zunächst Neuland. Denn Informationen sind rar gesät, sodass Eigeninitiative gefragt war und ist. „Es erfordert schon einen gewissen Aufwand und die Bereitschaft, sich selbst ständig auf dem Laufenden zu halten und neues Wissen anzueignen“, erklärt Alex. Umso wichtiger ist der ständige Austausch mit der Community, um Erfahrungen untereinander weiterzugeben und so die Beratung ständig zu verbessern.
Hinzu kommt natürlich das Fingerspitzengefühl. „Auch in der Apotheke lässt es sich natürlich nicht vermeiden, dass Trans*-Personen sich erklären müssen, weil es einfach für die Beratung wichtig sein kann.“ Aber man wolle natürlich auch niemandem auf die Füße treten. Wichtig sei es daher, zu erklären, warum bestimmte Fragen gestellt werden müssen. Generell gilt jedoch: Keine unnötig intimen Fragen stellen, betont PTA Anaïs, die in der Apotheke ebenfalls zu Transmedizin berät.
Transmedizin: Das zählt in der Beratung
Für sie ist der Kernpunkt in der Beratung von Trans*-Personen, den Menschen in den Fokus zu stellen und nicht nach Geschlecht oder Äußerlichkeiten einzuordnen. „Transmedizin ist total individuell und jede*r hat andere Sorgen, Wünsche und Bedürfnisse“, weiß Anaïs. Und das spiegelt sich auch in der Medikation wider. So müsse gemeinsam mit dem*der Kund:in immer abgewogen werden, welche Behandlungsoption für ihn*sie persönlich die beste ist – beispielsweise ob Kapsel, Salbe oder Gel. Ziel ist es, die Therapie generell so angenehm wie möglich zu gestalten, ergänzt Apothekenleiter Nico.
Der wichtigste Tipp des Teams für andere Apotheken: Mutig sein, sich informieren und keine Scheu haben. „Lieber einmal ins Fettnäpfchen treten, anstatt nichts zu tun“, fasst Alex zusammen.
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