Luftfilter im Nachteil? In den Schulen sind Winterjacke, Schal und Mütze angesagt, denn: es wird stoßgelüftet und das sorgt für eisige Temperaturen in den Klassenzimmern. Das soll die Qualität der Atemluft verbessern und das Risiko einer Corona-Infektion mindern. Doch ist Stoßlüften auch effektiv und sind Luftfilter eine Alternative? Das haben die Professoren Dr. Hans-Martin Seipp und Dr. Thomas Steffens von der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) untersucht.
Abstand, Hygiene, Atemschutz gehören wie das Lüften zu den Corona-Regeln. Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt das regelmäßige kurzzeitige Fenster-Stoßlüften als wirksame Maßnahme gegen die SARS-CoV-2-Belastung. Mobile Luftfiltergeräte hält das UBA nur im begründeten Ausnahmefall für sinnvoll.
Warum lüften? Beim Lüften strömt frische Luft in den Raum. Die verbrauchte Luft wird ersetzt und CO2 nach außen abgeführt. Das stärkt die Konzentration. Außerdem wird Feuchtigkeit aus dem Raum abtransportiert und somit Schimmelbildung reduziert. Zudem werden Feinstaub, Gerüche und Ausdünstungen gemindert. Um sich vor infektiösen Partikeln zu schützen, sollte pro Stunde ein dreifacher Luftwechsel erfolgen – also die Raumluft dreimal pro Stunde komplett gegen Frischluft ausgetauscht werden.
Stoßlüften besser als Luftfilter
Seipp und Steffens von der THM haben in einem 190 Kubikmeter großen ungenutzten Klassenraum der Leibnizschule in Wiesbaden untersucht, wie sich die Fenster-Stoßlüftung auf lungengängige Aerosole auswirkt. Das Ergebnis: Die Stoßöffnung aller Fenster über drei Minuten bei einer Außentemperatur von 7 bis 11 Grad konnte die eingebrachte Konzentration an Aerosolen um bis zu 99,8 Prozent senken. „Damit erwies sich die Fensterstoßlüftung um das zehn- bis 80-Fache wirksamer als ein unlängst dokumentierter Einsatz der maschinellen Luftfilterung“, so die Professoren.
Stoßlüften oder Luftfilter? Zum Vergleich: in demselben Klassenraum konnte mit vier mobilen Luftfiltergeräten nach circa 30 Minuten bei gleichzeitigem Dauerbetrieb eine Reduzierung der Konzentration um 90 Prozent erreicht worden.
Bei geschlossenen Fenstern wurden zunächst standardisiert Aerosole im Klassenraum freigesetzt und durch zwei leistungsfähige Ventilatoren verteilt. Der Zerfallsprozess der Aerosole wurde durch einen Laserpartikelmonitor registriert und anschließend alle Fenster für Zeitintervalle von ein bis fünf Minuten geöffnet und die Messungen fortgesetzt. Bei einer Außenlufttemperatur von 17 Grad sank die Aerosolkonzentration nach Stoßlüften um 31 Prozent (drei Minuten) und um 83 Prozent (fünf Minuten). Am zweiten Versuchstag bei 7 bis 11 Grad Außenlufttemperatur wurden Absenkungen 92 Prozent (nach einer Minute), über 98 Prozent (nach zwei Minuten) und 99,4 und 99,8 Prozent während drei Stoßlüftungen über drei Minuten erreicht.
In den kommenden Wochen wird die Außentemperatur vermutlich geringer sein. Die Wissenschaftler untersuchten auch den Aspekt der thermischen Behaglichkeit. Dabei wurde die Temperaturentwicklung an insgesamt zehn Messstellen im Raum jeweils im Intervall von zehn Sekunden registriert. Nach einem kurzfristigen Temperaturverlust von bis zu 6 Grad stabilisierten sich die Raumlufttemperaturen bereits nach vier bis sieben Minuten wieder auf einem Niveau, das nur noch 1 Grad unter dem Ausgangswert lag. Seipp und Steffens gehen davon aus, dass in einem belebten Raum eine noch schnellere Wiederaufwärmung zu erwarten ist.
Richtig lüften, aber wie?
Klassenzimmer und Büroräume sollten alle 20 Minuten mit weit geöffneten Fenstern gelüftet werden. Beim Stoßlüften müssen alle Fenster weit geöffnet werden. Je größer die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen ist, desto effektiver ist das Lüften. Darum muss im Winter nur etwa drei bis fünf Minuten gelüftet werden. Bei wärmeren Temperaturen sind es zehn bis 20 Minuten. In den Pausen sollte durchgängig gelüftet werden.
Querlüften ist besser als Stoßlüften! Dazu die gegenüberliegenden Fenster gleichzeitig weit öffnen.
So geht`s nicht!
Nur über die Türen bei geschlossenen Fenstern lüften: Virushaltige Aerosole können von einem Raum über den Flur in andere Räume transportiert werden, ohne dass zuvor eine deutliche Verdünnung durch Außenluftzustrom erfolgte.
Lüften mit gekippten Fenstern oder nur einem offenen Fenster: Der Luftaustausch ist unzureichend und in der kalten Jahreszeit entweicht unnötig Wärme aus dem Raum. Außerdem erhöht Kipplüftung das Schimmelrisiko an den Fensterlaibungen.
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