Mehr als 100.000 am Wochenende gemeldete Neuinfektionen, Streit über Lieferbegrenzungen beim Impfstoff und verschärfte Gegenmaßnahmen – einen Monat vor Weihnachten bleibt Corona das alles bestimmende Thema. Nun greifen Neuregelungen, und Entscheidungen stehen an.
Vor dem Hintergrund ungebremst steigender Corona-Zahlen treten in der neuen Woche in Deutschland zum Teil deutlich verschärfte Gegenmaßnahmen in Kraft. Die besonders betroffenen Bundesländer Bayern und Sachsen schränken das öffentliche Leben wieder deutlich ein und in der Arbeitswelt und im Verkehrsbereich wird 3G eingeführt – also Zutritt nur für Geimpfte, Genesene und Getestete.
Die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Neuinfektionen stieg auch am Wochenende weiter an und erreichte am Sonntag den nächsten Höchststand. Heftigen Streit gibt es beim Thema Booster-Impfungen. Das Bundesgesundheitsministerium will die Liefermengen von BioNTech-Impfstoff begrenzen, stattdessen soll vermehrt Moderna verimpft werden. Dafür gibt es starken Gegenwind. Die aktuellen Baustellen:
Booster-Streit
Am Montag soll die Gesundheitsministerkonferenz der Länder über die geplante Lieferbegrenzung beraten. Die Ressortchefs aus Bayern und Niedersachsen haben das angekündigt. Arztpraxen sollen nach dem Plan des Bundesgesundheitsministeriums zunächst nur noch maximal 30 Dosen BioNTech pro Woche bestellen können und unbegrenzt Moderna. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte am Sonntagabend im ZDF, dies sei eine „Frage der verfügbaren Menge“, nachdem die Nachfrage zuletzt stark gestiegen sei. Sein Ministerium hatte in einem Brief an die Länder dargelegt, dass eingelagerte Moderna-Dosen ab Mitte des ersten Quartals 2022 verfielen, was aber vermieden werden müsse.
Das Ministerium betont, dass beide Impfstoffe gleichwertig seien und genug von allem vorhanden sei. Von Ländern und Ärztevertreter:innen kommt dennoch heftige Kritik, weil Verunsicherung bei Patient:innen und deutlicher Mehraufwand in Praxen befürchtet wird – und damit ein Knick bei den Booster-Impfungen, die gerade Fahrt aufnehmen.
3G in Job und Verkehr und Homeoffice-Pflicht
Zutritt zur Firma gibt es nur noch negativ getestet, geimpft oder genesen: Arbeitgeber:innen sollen ihre Beschäftigten kontrollieren. Entweder sie hinterlegen ihren Impf- oder Genesenenstatus oder zeigen täglich einen Test vor. In Verkehrsmitteln soll es Stichprobenkontrollen geben. Geimpft, genesen oder negativ getestet soll auch bei in Deutschland startenden Flügen gelten. Offiziell in Kraft treten die vergangene Woche beschlossenen Regeln am Tag, nachdem sie im Bundesanzeiger veröffentlicht wurden. Das soll spätestens Mittwoch der Fall sein. Mit Inkrafttreten gilt auch wieder die Homeoffice-Pflicht: Wo es betrieblich möglich und praktisch umsetzbar ist, müssen Arbeitnehmer:innen von zu Hause arbeiten.
Strenge Maßnahmen in Sachsen und Bayern
In Sachsen und Bayern ist die Corona-Lage am schlimmsten. Sachsen schränkt deshalb ab Montag für drei Wochen weite Teile des öffentlichen Lebens ein. Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Bars, Clubs, Weihnachtsmärkte bleiben zu, touristische Übernachtungen sind gestrichen, Restaurants bekommen begrenzte Öffnungszeiten. In Bayern sollen ab Mittwoch für Ungeimpfte strikte Kontaktbeschränkungen gelten. Clubs und Bars müssen ebenfalls für drei Wochen schließen, Weihnachtsmärkte soll es nicht geben. Bei Kultur- und Sportveranstaltungen wird die Zuschauerzahl deutlich begrenzt. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rechnet mit ähnlichen Schritten auch in anderen Bundesländern.
Kinderimpfung
Am Donnerstag oder Freitag wird eine Entscheidung der EU-Arzneimittelbehörde EMA zur Zulassung des BioNTech-Impfstoffs für fünf- bis elfjährige Kinder erwartet. Gesundheitsminister Spahn rechnet damit, dass kurz vor Weihnachten die ersten rund zwei Millionen Dosen ausgeliefert werden. In der Altersklasse gibt es 4,5 Millionen Kinder. Da es sich beim Kinder-Impfstoff um eine geringere Dosierung handele, müssten von BioNTech/Pfizer erst andere Fläschchen produziert und geliefert werden. Impfungen sollen nach einer Zulassung durch die EMA laut Spahn auch dann möglich sein, wenn die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland noch keine offizielle Empfehlung gegeben hat.
Impfpflicht
Österreich will sie als erstes EU-Land im Februar einführen. In Deutschland zeigen sich Vertreter:innen der Union offen dafür: Früher oder später werde das nicht vermeidbar sein, sagt der Tourismusbeauftragte der geschäftsführenden Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU). Er glaube, man werde um eine Impfpflicht nicht herumkommen, sagt auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Wenn es nicht ohne allgemeine Impfpflicht gehe, sei er bereit, diesen Schritt zu gehen, hieß es von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther(CDU).
Der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, sagte der „Rheinischen Post“: „Es war ein grober Fehler, dass die Politik eine Impfpflicht ausgeschlossen hat. Nun haben wir eine sehr große Gruppe Ungeimpfter, die sich weiterhin den überzeugenden rationalen Argumenten für das Impfen verschließt.“ Scharfe Kritik an Überlegungen in Richtung Corona-Impfpflicht äußerte hingegen der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla. Für eine Impfpflicht sind laut einer Umfrage für die „Bild am Sonntag“ 52 Prozent, dagegen 42 Prozent. Vertreter:innen von SPD, Grünen und FDP äußern sich bisher ablehnend. Geplant ist zunächst die Einführung einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen oder Einrichtungen.
Das Apothekenpersonal sprach sich in einer aposcope-Befragung zuletzt für eine Impfpflicht für das Gesundheitswesen aus, bei der auch Apothekenmitarbeiter:innen eingeschlossen werden sollten. Alternativ befürworten die Teams eine Auskunftspflicht in der Apotheke.
Die Lage
Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen und Woche erreichte am Sonntag den Höchststand von 372,7 (Vorwoche 289, Vormonat 85,6). Insgesamt wurden am Wochenende 106.651 Neuansteckungen (Samstag: 63.924 Sonntag: 42.727) und 323 Todesfälle gemeldet (Vorwochenende: 78.579 Infektionen, 283 Todesfälle). Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patient:innen je 100.000 Einwohner:innen innerhalb von sieben Tagen gab das Robert Koch-Institut am Freitag mit 5,34 an (Donnerstag: 5,30). Aktuellere Werte gibt es wieder in der neuen Woche. Bei dem Indikator muss berücksichtigt werden, dass Krankenhausaufnahmen teils mit Verzug gemeldet werden. Der bisherige Höchstwert lag um die Weihnachtszeit des Vorjahres bei rund 15,5.
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