Die Daten von 236.000 genesenen Covid-19-Patient:innen wurden über sechs Monate ausgewertet. Laut einer im Fachmagazin „The Lancet Psychiatry“ veröffentlichten Studie leidet ein Drittel der betroffenen Menschen unter neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. Zu den Spätfolgen von Covid-19 zählen Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen, Angststörungen und sogar Schlaganfälle durch Blutgerinnsel.
Spätfolgen von Covid-19: Studie aus Großbritannien
Die Wissenschaftler der Universität Oxford verwendeten für ihre Studie Daten von TriNetX, einem Netzwerk, welches anonymisierte Daten aus elektronischen Gesundheitsakten von 81 Millionen Patient:innen, hauptsächlich aus den USA, zur Verfügung stellt. Der Zeitraum der Studie umfasste sechs Monate. Um ihre Analysenergebnisse kontrollieren zu können, wurden zwei gematchte Kohorten (stellt ein beobachtetes Studiendesign der Epidemiologie mit dem Ziel dar, einen Zusammenhang zwischen einer oder mehreren Expositionen und dem Auftreten einer Krankheit aufzudecken) mit 190.077 Patient:innen durchgeführt, bei denen entweder eine Atemwegserkrankung oder eine Influenza vorlag. Die britische Studie kam zu dem Ergebnis, dass Corona-Patient:innen im Vergleich zu Patient:innen mit Atemwegserkrankungen oder Influenza ein höheres Risiko aufwiesen, eine neurologische oder psychische Erkrankung zu entwickeln.
Der Hauptautor der Studie, Professor Dr. Paul Harrison von der Universität Oxford, stuft zwar das individuelle Risiko für die meisten Erkrankungen als gering ein, vermutet aber die Wahrscheinlichkeit von erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheits- und Sozialsysteme. Er begründet dies mit dem Ausmaß der Pandemie, der Chronizität vieler Diagnosen und ihrer Folgen (zum Beispiel: Demenz, Schlaganfall und intrakranielle Blutungen). Weiterhin ist Harrison der Meinung, dass die Ergebnisse die Notwendigkeit einer umfassenden Nachsorge von Patient:innen aufzeigen, die während der Covid-Erkrankung auf einer Intensivstation betreut werden mussten oder eine Enzephalopathie (Erkrankungen oder Schädigungen des Gehirns) bekamen.
Laufende Langzeitstudie am UKE
Lungenfacharzt Dr. Hans Klose vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) führt zurzeit eine Langzeitstudie zu den Spätfolgen von Covid-19 durch, die über zwei Jahre laufen soll. Wie viele Menschen letztendlich betroffen sind, lässt sich nach Klose nur im Langzeitverlauf betrachten. Zum Zeitpunkt der Erstsichtung zeigen 50 Prozent der Patient:innen mindestens schon ein Symptom der Spätfolgen. Die häufigsten Symptome sind Belastungseinschränkungen, Husten, Brustenge, das Fatigue Syndrom (belastende Erschöpfung durch eine chronische Erkrankung), Gedächtnisstörungen, gedämpfte Stimmung und Angst. Diese Symptome traten auch bei jungen Patient:innen mit einem leichten Krankheitsverlauf auf.
Auf welche anderen Organe kann sich die Infektion noch auswirken?
Neben den Atemwegen greift SARS-CoV-2 auch das Gehirn an. Wissenschaftler:innen der Charité fanden heraus, dass das Virus über die Nervenzellen der Riechschleimhaut ins Gehirn eindringen kann. Sogar im Nervenwasser lassen sich Corona-Viren nachweisen. Dies kann zu schweren Schäden wie Gedächtnisverlust, Gehirnblutung und Schlaganfällen führen, sogar noch Monate nach der eigentlichen Corona-Infektion. Durch Langzeitschäden am Gehirn kann es auch zu Wortfindungsstörungen kommen. Mediziner:innen sprechen hierbei von „Neuro-Covid“. Tatsächlich sind auch direkte Entzündungen des Gehirns nachweisbar, die zwar mit der Zeit nachlassen, manchmal aber auch unterschwellig bleiben können.
Laut Klose ist die Corona-Erkrankung eine Multiorganerkrankung, die neben den Atemwegen, auch die Leber, das Herz, den Darm, die Gefäße oder das Gehirn betreffen kann. Die eindeutige Trennung zwischen dem Fatigue Syndrom, einer Depression und einer neuronaler Gehirnschädigung sei extrem schwierig. Der/die Patient:in sollte daher immer erst zur Hausarztpraxis gehen, die im Zweifel weiter an eine/n Fachärzt:in verweisen kann. Es gibt selbstverständlich auch andere Erkrankungen, die ähnliche Symptome zeigen, aber nicht durch Covid-19 bedingt sein können.
Gibt es auch gänzlich neue Erkrankungen in Zusammenhang mit Covid-19-Infektionen?
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht eine neue Erkrankung in Zusammenhang mit der Corona-Virus-Infektion, die vorwiegend Kinder und Jugendliche betrifft – das Pädiatrische Inflammatorische Multisystem Syndrom (PIMS). Bei PIMS können sich mehrere Organe (wie Herz, Lunge) und Gefäße entzünden und es kann zu Atemnot kommen. Die Patient:innen haben einen sogenannten „warmen Schock“, die Gefäße werden weit, die Kapillaren porös und Wasser tritt ins umliegende Gewebe über. Atemnot kann die Folge sein. Welche Schäden langfristig auftreten können beziehungsweise wie viele Patient:innen von PIMS betroffen sind oder sein werden, ist noch ungewiss.
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