Erektile Dysfunktion (ED) betrifft hierzulande rund fünf Millionen Männer, und zwar nicht nur der Generation 60+. Den Betroffenen stehen rund 6.600 Urologen – davon nur rund 3.500 Vertragsätzte – gegenüber. Männer mit ED sind hierzulande unterversorgt und die Strukturen unzureichend. Das wurde bei der Paneldiskussion „Unterversorgung von Patienten am Beispiel der erektilen Dysfunktion – Handlungsbedarf definieren und Lösungsansätze entwickeln.“ im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Urologie in Leipzig deutlich. Eine mögliche Lösung: Ein OTC-Switch und die Einbindung der Apotheken als niedrigschwellige Anlaufstelle und kompetenter Lotse im Rahmen der Gesundheitsversorgung.
Dr. Matthias Arnold vom Institut für angewandte Versorgungsforschung zeigt, wie ernst die aktuelle Versorgungslage ist. Der Bedarf übersteigt die Ressourcen der urologischen Versorgungsstrukturen und es müssen dringend neue Wege beschritten werden, um die Patienten mit ED überhaupt in die Versorgung zu bringen. Was den Betroffenen bleibt, ist die Hilfe zur Selbsthilfe – der Schwarzmarkt. Nicht nur, dass es schon jetzt zu wenige Urologen gibt; der Nachwuchs fehlt und die Zahl der Betroffenen steigt.
Professor Dr. Frank Sommer, Facharzt für Urologie und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit sowie Universitätsprofessor für Männergesundheit aus Hamburg, ging auf das gesundheitliche Risiko ein. ED ist keine Lifestyleerkrankung, sondern kann Depressionen nach sich ziehen und mit kardiovaskulären Problemen zusammenhängen. Dabei kann der Einsatz von PDE-5-Hemmern einen Schutz bieten. Anhand einer Studie mit rund 1,25 Millionen Männern zeigte Sommer, dass PDE-5-Hemmer kardiovaskuläre Risiken um rund 20 Prozent senken können.
Sommer hat bereits vor 20 Jahren aufgezeigt, welche protektive Wirkung PDE-5-Hemmer auf das Endothel haben. In der Diskussion wurde deutlich, dass kardiovaskuläre Bedenken in der Vergangenheit dazu beigetragen haben, dass die Verschreibungspflicht von PDE-5-Hemmern beibehalten wurde. Doch die Sachlage muss aufgrund von aktuellen Kenntnissen neu bewertet werden.
Ein Blick in andere Länder zeigt, wie erfolgreich ein OTC-Switch sein kann. Ein Beispiel ist England. Aufgrund des OTC-Switches von Sildenafil sind mehr Männer in die ärztliche Versorgung gekommen. Der Grund: Die Beratung in der Apotheke. Denn ED ist ein stummer Marker und Präindikator für beispielsweise kardiovaskuläre Probleme und Diabetes und somit mehr ein Symptom als eine eigenständige Erkrankung. Die Betroffenen suchen nach der fundierten Beratung in der Apotheke häufiger einen Arzt auf. Somit bietet das Gespräch mit Expert:innen zu erektiler Dysfunktion und Sildenafil die Möglichkeit, zukünftige kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern.
Ein möglicher OTC-Switch der PDE-5-Hemmer stellt eine potenzielle und kurzfristige Option zur Verbesserung der Situation dar, sind sich Sommer und Arnold einig.
Apotheken- und Patientenvertretende trauen den Apotheken eine angemessene Abgabe zu. Dies unterstreichen auch die Ergebnisse einer europäischen Beobachtungsstudie. Die Beratung von Patienten mit erektiler Dysfunktion in Apotheken führte zu genauen Behandlungsempfehlungen und keiner Abgabe von Sildenafil an Männer, die nicht an erektiler Dysfunktion leiden.
Zudem wurden die Weiterleitung in die ärztliche Behandlung bei Fragen zur kardiovaskulären Gesundheit, zu anderen Komorbiditäten oder zur Begleitmedikation sowie die Eigenverantwortung der Betroffenen gestärkt, weil die Apotheke eine Lotsenfunktion übernahm. Außerdem wird die Beratung in der Apotheke vor Ort von vielen Patienten als niederschwelliger wahrgenommen als der direkte Gang zum Arzt. Aus Sicht von Sommer ein weiterer sehr guter Grund für einen OTC-Switch.
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