Sichtbezug: BtM-Gebühr nur einmal erlaubt
Werden Substitutionsmittel im Sichtbezug überlassen, kann die Apotheken die BtM-Gebühr nur einmal abrechnen. Das hat das Landessozialgericht München Anfang März entschieden. Schließlich müsse der substituierende Arzt oder die substituierende Ärztin für die Dokumentation zahlen.
In § 7 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) heißt es: „Bei der Abgabe eines Betäubungsmittels, dessen Verbleib […] nachzuweisen ist, sowie bei der Abgabe von Arzneimitteln nach § 3a der Arzneimittelverschreibungsverordnung können die Apotheken einen zusätzlichen Betrag von 4,26 Euro einschließlich Umsatzsteuer berechnen.“ Zuvor konnten 2,91 Euro abgerechnet werden. Der Betrag wurde mit dem Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken angehoben.
Eine Dokumentation der Abgabe fällt auch bei der Überlassung des Substituts im Rahmen des Sichtbezuges an. Doch Die Gebühr darf laut einem Urteil nicht abgerechnet werden. Die Revision ist zugelassen.
Der Fall: Eine Apothekerin versorgte vom 8. März 2021 bis 12. März 2021 – und den Folgemonaten – Patient:innen mit Substitutionsmitteln mit L-Polamidon zum unmittelbaren Verbrauch und rechnete die BtM-Gebühr von 2,91 Euro für jeden Sichtbezug ab. Bei Take-home-Verordnungen wurde die Gebühr nur einmal in Rechnung gestellt. Die Kasse kürzte die BtM-Gebühr für die Sichtvergaben. Der Wert summierte sich auf 349,20 Euro. Der Grund: Die Gebühr dürfe nur pro verordnetem Arzneimittel abgerechnet werden und damit seien alle mit der Abgabe verbundenen Dokumentationsverpflichtungen abgegolten. Mehr noch: Bei der BtM-Gebühr handele es sich um einen pauschalen Abgeltungsbetrag für den speziellen Dokumentationsaufwand bei Zu- und Abgang eines Betäubungsmittels in der BtM-Kartei der Apotheke, der nur einmal für jedes Rezept gezahlt werde – auch bei der Abgabe von Teilmengen. Die Apothekerin legte Einspruch ein und der Fall landete vor dem Sozialgericht.
Sichtbezug ist Abgabe an Arztpraxis
Werde ein Präparat nur in Teilmengen abgegeben und verbleiben die jeweiligen Restmengen noch bis zur endgültigen Aushändigung in der Obhut der Apotheke, erfolge die Ausbuchung aus dem Bestand der Apotheke zum Zeitpunkt der Belieferung der ersten Teilmenge des Rezepts, so die Kasse. Auf dem BtM-Rezept werde dann der erste Tag der Aushändigung im Feld „Abgabedatum“ vermerkt. Im Rahmen des Sichtbezugs erfolge die Abgabe des Substitutionsmittels direkt an die Arztpraxis, argumentiert die Kasse. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Sichtvergabe von der Praxis an die Apotheke delegiert werde. Auch dann erfolge die Abgabe des Substitutionsmittels an den verordnenden Arzt, der rechtlich gesehen Verfügungsinhaber des Substitutionsmittels bleibe. Somit müsste dieser für die Honorierung der Dokumentation der Apotheke aufkommen.
Arzt soll Doku bezahlen
„Bei den damit verbundenen zusätzlichen Nachweispflichten in Form des patientenbezogenen Nachweises des Verbleibs (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BtMVV) handle es sich um eine gesondert vertraglich zu vereinbarende Leistung des jeweiligen Apothekers, die ansonsten dem verabreichenden Arzt obliegen würde. Für diesen Dokumentationsaufwand habe die Apotheke sich vom Arzt honorieren zu lassen. Dazu diene auch der zuvor zwingend abzuschließende Vertrag mit dem Arzt. Andernfalls werde diese Dienstleistung mit der Krankenkasse mehrfach abgerechnet“, heißt es im Urteil. Schließlich erhalte der/die Ärzt:in für die Dokumentation – patientenindividuelle Nachweispflicht – eine Vergütung nach EBM.
Die Apothekerin konterte. „Kein Arzt werde von seiner Vergütung nach EBM an den Apotheker etwas abgeben.“ Zudem ändere die theoretische Möglichkeit einer Vereinbarung zwischen Arzt und Apotheker nichts am eindeutigen Wortlaut von § 7 AMPreisV, der auf den Dokumentationsaufwand abstelle, der vergütet werden müsse. Doch ohne Erfolg. Die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht folgte der Argumentation der Kasse.
Abgabe und Überlassung trennen
Die „Abgabe“ und das „Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch“ seien auch dann voneinander zu trennen, wenn die Praxis die Sichtvergabe an die Apotheke delegiert hat. Und trotzdem falle die Gebühr nach § 7 AMPreisV für alle Arten der Abgabe von Substitutionsmitteln nur einmalig an. Wie anschließend die Weitergabe an Patient:innen erfolge, sei nicht relevant.
Würde der Rechtsansicht der Apotheke gefolgt werden, so würde § 7 AMPreisV in unzulässiger Weise erweitert und die Apotheke würde für die an sie delegierte Aufgabe, für die die Praxis nicht nach der AMPreisV, sondern nach EBM eine Vergütung erhalte, zusätzliche Gebühren erhalten. „Diesen Mehraufwand müsse der substituierende Arzt vergüten, der sich durch die Delegation an die Apotheke Zeit und Personalkosten spare“, so das Gericht.
Die Apothekerin legte Berufung ein. Die Überlegungen zur Vergütung durch den delegierenden Arzt seien praxisfremd. Zudem werde nicht berücksichtigt, dass es nicht von privatrechtlichen Vereinbarungen abhänge, ob der Dokumentationsaufwand vergütet werde.
Hinzukommt, dass zum 1. Oktober 2024 der neue Arzneimittelversorgungsvertrag Bayern in Kraft getreten ist. Der Bayerische Apothekenverband und die Landesverbände der Krankenkassen haben sich in Anlehnung an die EBM-Ziffer 01950 auf eine Zahlung von derzeit 5,49 Euro je Einzeldosis geeinigt, wenn der substituierende Arzt oder die substituierende Ärztin kein Honorar für den Sichtbezug geltend mache, was in der Vereinbarung zu regeln sei.
Und auch das Landessozialgericht bestätigte die Retaxation. „Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.“ Die Apothekerin hat keinen Anspruch auf höhere Vergütung unter Ansatz einer Gebühr von 2,91 Euro für jede Abgabe von Substitutionsmitteln im Rahmen der täglichen Sichtvergabe.
Den Bezug auf § 7 AMPreisV lässt das LSG nicht gelten. Denn der Wortlaut nimmt auf Nachweis- und Dokumentationspflichten der Apotheke nur insofern Bezug, als dass er definiert, für welche Betäubungsmittel die Gebühr anfällt. „Eine weitere Bezugnahme dahingehend, welche Nachweispflichten die Vergütung auslösen, enthält die Regelung ebenso wenig wie eine Regelung dahingehend, was unter einer ‚Abgabe‘ im Rechtssinn zu verstehen ist“, so das LSG. Im Rahmen des Sichtbezugs werde ausschließlich die Formulierung, zum unmittelbaren Verbrauch „zu überlassen“ verwendet. Somit müsse zwischen der Abgabe und dem Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch differenziert werden, was dagegenspreche, dass das Überlassen im Sichtbezug eine Abgabe im Sinne von § 7 AMPreisV darstellt.
Das LSG stellt klar: Nur das Einlösen der Verordnung („Abgabe“) löst einmalig die Nachweispflichten und damit die BtM-Gebühr aus. Die patientenbezogenen Nachweispflichten im Zusammenhang mit der Durchführung und Überwachung des Sichtbezugs sind eine originär ärztliche Tätigkeit, die nach den Regelungen des EBM zu vergüten ist und auch im Falle der Delegation auf die Apotheke nicht von der Regelung in § 7 AMPreisV erfasst werden.
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