Obst ist gesund und gehört zu einer ausgewogenen Ernährung. In manchen Fällen wird Früchten aber eine Wirkung unterstellt, die sie schlicht nicht haben. Ein Beispiel: Himbeeren und die enthaltene Salicylsäure.
Im Netz finden sich reihenweise Ernährungstipps, die Medikamente überflüssig machen sollen. Himbeeren etwa sollen angeblich bis zu dreimal effektiver gegen Kopfschmerzen wirken als Aspirin. Ist da etwas dran?
Es geht um die Salicylsäure
Bewertung: Himbeeren enthalten zwar Salicylsäure, die eine schmerzstillende Wirkung hat. Sie ist mit dem Wirkstoff in Aspirin – Acetylsalicylsäure – chemisch eng verwandt. Aber: Um eine vergleichbare Wirkstoffmenge wie die einer Aspirintablette aufzunehmen, müsste man eine unrealistisch große Menge Himbeeren essen.
Fakten: Himbeeren enthalten verglichen mit anderen Früchten eine relativ hohe Menge an Salicylsäure. Diese hat eine schmerzstillende und fiebersenkende Wirkung. Sie wird in der Regel nicht in reiner Form verwendet, sondern in verschiedenen chemischen Verbindungen des Stoffes.
Wie viel Salicylsäure in Himbeeren steckt
Wissenschaftliche Studien haben die Menge an Salicylsäure in Lebensmitteln untersucht. Laut einer australischen Untersuchung von 1985 sind in 100 Gramm frischen Himbeeren 3,14 Milligramm enthalten. Eine jüngere Studie, ebenfalls aus Australien, ermittelte für frische Himbeeren einen Wert von nur 10,52 Milligramm Salicylsäure pro Kilo – also 1,05 Milligramm pro 100 Gramm.
Die Unterschiede sind unter anderem auf Differenzen in den Messmethoden zurückzuführen. In anderen – unterschiedlich seriösen – Quellen finden sich weitere Angaben zum Salicylsäuregehalt von Himbeeren, etwa 5,14 Milligramm pro 100 Gramm.
In einer Standard-Aspirintablette sind 500 mg Acetylsalicylsäure (ASS) enthalten. Sie ist laut Hersteller Bayer zur Behandlung von leichten bis mäßig starken Kopfschmerzen geeignet. Die Wirkung von ASS basiert darauf, dass sie im Körper bestimmte Enzyme hemmt.
Dadurch wird die Produktion von entzündungsverstärkenden Verbindungen blockiert. Die Entzündungsprozesse werden gestoppt, wir nehmen weniger Schmerz wahr.
Fachärzte: Vorschlag ist „weltfremd“
Und was sagen Fachleute für Schmerztherapie? Professor Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel, legt seiner Antwort einen Gehalt von rund 5 Milligramm Wirkstoff pro 100 Gramm Himbeeren zugrunde.
Bei Aspirin betrage eine sachgerechte Dosierung für Erwachsene 1.000 Milligramm, sagt er. „Man müsste also rund 200 x 100 Gramm Himbeeren essen, um die gleiche Wirkstoffmenge aufzunehmen. Das sind dann 20 kg Frucht. Bei 500 mg sind es ,nur’ 10 kg. Der Vorschlag ist also weltfremd.“
Professor Daniel Pöpping von der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Münster geht noch einen Schritt weiter. In der medizinischen Datenbank PubMed finde sich keine Studie über die erfolgreiche Behandlung von Kopfschmerzen mit Himbeeren. „Es handelt sich um ,Fake-News’, soweit ich das beurteilen kann.“
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