Das US-Pharmaunternehmen Gilead hat offiziell die begrenzte Zulassung von Remdesivir in der EU als Mittel gegen Covid-19 beantragt. Das teilte die Europäische Arzneimittelbehörde EMA mit. Die Prüfung der vorgelegten Daten und die Abwägung von Wirkung und Risiken soll nach einem verkürzten Verfahren erfolgen. Mit einer Entscheidung werde „in einigen Wochen“ gerechnet. Es wäre die erste Zulassung eines Medikaments gegen Covid-19 in Europa.
Remdesivir in der EU: EMA prüft Zulassung
Die EMA hatte bereits am 30. April 2020 ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für Remdesivir gestartet und Daten aus Studien ausgewertet. Davon war der erste Zyklus am 15. Mai beendet worden. Ende Mai hatte die EMA angekündigt, dass sich eine Entscheidung über die Zulassung verzögerte. Zuerst musste der Hersteller offiziell den Antrag stellen. Nun könnte Remdisivir in der EU bald zugelassen werden.
Die USA hatten bereits Anfang Mai eine Ausnahmegenehmigung für den begrenzten Einsatz des ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelten Wirkstoffes in Krankenhäusern erteilt. In Deutschland ist das Mittel innerhalb eines Arzneimittel-Härtefallprogrammes zugänglich und wird in klinischen Studien getestet. Eine internationale Studie mit über 1.000 Teilnehmern hatte gezeigt, dass Remdesivir bei Covid-19-Patienten die Zeit bis zu einer Genesung im Schnitt um vier Tage verkürzen kann. Die Sterblichkeit ging in der Untersuchung geringfügig zurück, was statistisch jedoch nicht signifikant war.
Compassionate Use
In einer außerordentlichen Sitzung hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine Empfehlung abgegeben, wie das Prüfpräparat im Rahmen des „Compassionate Use“ eingesetzt werden sollte. Remdesivir ist bislang in keinem Land der Welt uneingeschränkt als Medikament zugelassen. Bislang gibt es keine Impfung gegen das Coronavirus und auch keine zuverlässige zugelassene medikamentöse Therapie.
Voraussetzungen
Indikation:
Behandlung von Covid-19-Patienten ab einem Alter von zwölf Jahren mit einem Gewicht von mindestens 40 kg, die invasiv beatmet werden müssen, oder von Patienten, die Kontakt mit einem bestätigten Covid-19-Fall hatten, wobei die PCR noch aussteht. Eine Behandlung mit Remdesivir sollte nur im Krankenhaus erfolgen.
Dosierung:
Erwachsene und Kinder ab zwölf Jahren (≥ 40 kg) sollten über einen Zeitraum von zehn Tagen mit Remdesivir behandelt werden. Am ersten Tag sollen 200 mg gefolgt von neun Tagen zu 100 mg Remdesivir einmal täglich verabreicht werden. Der Wirkstoff wird als IV-Infusion mit einem Gesamtvolumen von bis zu 250 ml 0,9-prozentiger Kochsalzlösung über 30 Minuten verabreicht. Die Infusionszeit kann auf bis zu 120 Minuten verlängert werden. Die Patienten sollten regelmäßigen Laboruntersuchungen, einschließlich Leberfunktionstests unterzogen werden.
Kontraindikationen:
Der Einsatz von Remdesivir kommt nicht infrage bei:
- einer Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der Hilfsstoffe,
- Multiorganversagen,
- der Verwendung von mehr als einem Pressor für den septischen Schock,
- Nierenversagen oder Dialyse,
- Teilnahme an anderer klinischer Prüfung einer experimentellen Covid-19-Behandlung.
Remdesivir in der EU: Kritik seitens der Ärzte
Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig, steht einer baldigen eingeschränkten Zulassung des Medikaments Remdesivir zur Behandlung von Corona-Erkrankten kritisch gegenüber. „Wir wissen noch viel zu wenig über die Nebenwirkungen“, so Ludwig. Das einzige, was Remdesivir bisher gezeigt habe, sei, dass es die Krankheitsdauer um vier Tage verkürzt. „Aber das Mindeste müsste doch sein, dass die Patienten, die es rechtzeitig bekommen, weniger schwer krank werden.“
Fusion von zwei Pharma-Riesen
Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge würde der britische Konzern AstraZeneca gerne mit dem US-Konkurrenten Gilead zusammengehen. Die Briten seien im Mai an die Amerikaner herangetreten, berichtete die Agentur am Sonntag unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Beide Konzerne spielen bei der Suche nach einem Medikament oder einem Impfstoff gegen Covid-19 eine wichtige Rolle. AstraZeneca erzielte 2019 einen Umsatz von 24 Milliarden Dollar und verdiente dabei 1,2 Milliarden Dollar. Der 1987 gegründete US-Konzern Gilead kam im vergangenen Jahr auf einen Erlös von 22 Milliarden Dollar sowie einen Gewinn von 5,4 Milliarden Dollar.
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