PTA fordert knapp 69.000 Euro Schadenersatz
Zwei Jahre lang war eine Mitarbeiterin der Klinikapotheke der Universität Mainz erkrankt, dann wollte sie ihren Dienst wieder antreten. Weil ihr kein „leidensgerechter Arbeitsplatz“ angeboten wurde, zog sie vor Gericht und forderte fast 69.000 Euro. Doch ganz so einfach war die Sache nicht.
Die PTA arbeitete seit 2001 in der Klinikapotheke im Herstellungsbereich; seit Februar 2019 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Im Mai 2021 zeigte sie an, dass sie ihre Beschäftigung in der Apotheke zum 8. Juni wieder aufnehmen werde. Nachfragen seitens des Klinikums blieben zunächst unbeantwortet. Tatsächlich wurde sie erst am 17. Juni aus der Reha entlassen – erneut arbeitsunfähig.
Nunmehr forderte ihr Anwalt das Klinikum auf, seiner Mandantin ab 1. August einen „leidensgerechten Arbeitsplatz“ anzubieten. Was sie sich darunter vorstellte, blieb unklar: Ein Gespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) kam nicht zustande, stattdessen zog die PTA vor Gericht.
Zunächst klagte sie auf „Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes, im Verwaltungsbereich, im Homeoffice und auf das Zur-Verfügung-Stellen einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“. Ab April 2022 forderte sie nur noch Geld: Mehr als 65.000 Euro zuzüglich Zinsen sollte ihr ehemaliger Arbeitgeber an sie zahlen, in Summe knapp 69.000 Euro.
Schadenersatz für Verdienstausfall
Sie behauptete, ihre Arbeitskraft in Bezug auf den Einsatz an einem leidensgerechten Arbeitsplatz wirksam angeboten und auch eine betriebsärztliche Untersuchung absolviert zu haben. Unterlagen dazu habe sie aber nicht, da diese direkt an den Arbeitgeber gegangen seien. Eine Wiedereingliederung sei abgelehnt worden; das Klinikum habe in keiner Weise andere mögliche Arbeitsplätze im Hinblick auf ihre Erkrankungen auch nur geprüft.
Daher machte sie Schadenersatz für entgangene Gehaltszahlungen von Juni 2021 bis Juli 2022 geltend, einschließlich Tariferhöhung und Weihnachtsgeld. Außerdem forderte sie knapp 16.300 Euro als Abgeltung für 120 Urlaubstage, die sie während ihrer Krankheit nicht habe nehmen können.
Die Klinik erwiderte, dass die PTA nie dargelegt habe, in welcher Abteilung des Verwaltungsbereichs und mit welchen konkreten Aufgaben sie eingesetzt werden solle. Erst dann könne überhaupt geprüft werden, ob die hierfür erforderlichen Qualifikationen vorlägen. Herstellungstätigkeiten könnten lediglich in den Räumlichkeiten der Apotheke ausgeübt werden; weder hier noch im Verwaltungsbereich von Apotheke oder Klinikum finde Homeoffice statt: Lediglich in Ausnahmefällen, etwa zur kurzfristigen Kinderbetreuung oder zur Überbrückung der Pflege von Angehörigen, werde hiervon Gebrauch gemacht.
Jobwechsel muss zumutbar sein
Nach dem Arbeitsgericht Mainz (AG) wies auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG) die Klage ab. Zwar sei dem Arbeitgeber im Grundsatz die Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes zumutbar – aber nur so lange dem keine betrieblichen oder wirtschaftlichen Gründe oder die Rücksichtnahmepflicht gegenüber anderen Arbeitnehmern entgegenstünden. „Die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verlangt vom Arbeitgeber nicht, die Belange eines Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener Belange oder solcher anderer Arbeitnehmer durchzusetzen.“
Zumutbar sei die Zuweisung einer neuen Arbeit vor allem dann, wenn ein entsprechender Arbeitsplatz frei sei und der Arbeitgeber Bedarf für die Tätigkeit habe. Müsse ein anderer Arbeitnehmer die Stelle freimachen, seien die ihm gegenüber geltende Rücksichtnahmepflichten zu beachten. „Unzumutbar ist ein Austausch, wenn der auszutauschende Arbeitnehmer einem Arbeitsplatzwechsel seine Zustimmung verweigert und der Arbeitgeber Gefahr liefe, bei Ausübung seines Direktionsrechts einem Prozess über die Wirksamkeit der Maßnahme ausgesetzt zu sein.“
Im Übrigen könnten selbst bei einer Versetzungsklausel nur gleichwertige Tätigkeiten zugewiesen werden. „Der Arbeitgeber kann deshalb dem Arbeitnehmer keine niedriger zu bewertende Tätigkeit im Wege des Direktionsrechts zuweisen, selbst wenn er die höhere Vergütung, die der bisherigen Tätigkeit entspricht, weiterzahlen würde. Eine höherwertige Tätigkeit muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht zuweisen, weil sie einer Beförderung gleichkäme, auf die kein Anspruch besteht und zu der auch die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB den Arbeitgeber nicht verpflichten kann.“
Unkonkrete Forderungen
Die PTA habe bereits gegenüber ihrem Arbeitgeber „völlig offengelassen, über welche Leistungsfähigkeit sie zu diesem Zeitpunkt verfügte, welche Leistungseinschränkungen bestanden und wie sie sich einen solchen ‚leidensgerechten‘ und ‚geeigneten Arbeitsplatz‘ vorstellte“.
Das reicht nach Auffassung des LAG nicht als Mitteilung, wie sie sich „ihre weitere, die nicht näher beschriebenen aufgetretenen Leistungshindernisse ausräumende Beschäftigung inhaltlich vorstellt“. So hätte sie zumindest konkret angeben müssen, an welches Servicecenter sie im Verwaltungsbereich gedacht habe, welche Art der Beschäftigung sie meine, weshalb es ihr unter Berücksichtigung ihrer Qualifikation möglich gewesen wäre, eine entsprechende Tätigkeit auszuüben, und weshalb bei Nichtvorhandensein freier Stellen ein Austausch mit anderen Arbeitnehmern im Wege der Umsetzung in Betracht gekommen wäre. „Erst dann wäre ihr Vortrag für die Beklagte überhaupt weiter einlassungsfähig gewesen.“
Erst eine konkrete Einlassung hätte arbeitgeberseitige Handlungspflichten und bei Verletzung Schadensersatzansprüche ausgelöst. So konnte sich das Klinikums gar nicht substantiiert darauf einlassen und darlegen, aus welchen Gründen eine Beschäftigung zu den vorgeschlagenen Bedingungen nicht in Betracht komme.
Die 16.300 Euro für den entgangenen Urlaub wurden ihr trotzdem zugesprochen.
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