Halbzeit beim Pride Month. Im Juni steht die Aufmerksamkeit für die LGBTQIA+-Community im Fokus. Ziel ist es, auf ihre Rechte aufmerksam zu machen und ihr mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Doch gerade letztere hat in diesem Jahr augenscheinlich nachgelassen. Der Grund: „Es wird sich zu sehr auf dem Erreichten ausgeruht“, findet PTA Alex aus der Schönhauser Apotheke in Berlin.
Dabei bleibt Aufklärung weiterhin wichtig. Denn: Es kursiert noch immer viel Falsch- und Halbwissen, vor allem in den sozialen Medien. Und das kann gefährlich werden, beispielsweise wenn es um die richtige Versorgung, aber auch Schutzmaßnahmen gegen Infektionen mit HIV oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) geht. So ist unter anderem die Präexpositionsprophylaxe mit einer guten Wirksamkeit und Verträglichkeit verbunden und senkt die Zahl der HIV-Neuinfektionen, die dadurch entstehende Sorglosigkeit kann aber zu einem Anstieg anderer STIs führen, gegen die die PrEP trotz landläufiger Meinung nicht schützt. Auch diese können zwar mittlerweile in der Regel gut behandelt werden, schwere Verläufe lassen sich allerdings nicht immer verhindern. Hinzu kommt, dass Kondome zum Schutz in Teilen der Community nicht mehr „in“ sind. Aufklärung und Beratung sind also weiterhin das A und O – nicht nur im Pride Month.
Umdenken in allen Apotheken möglich
Daher bietet die Schönhauser Apotheke den Beratungsschwerpunkt Transmedizin an und ist für die Community eine wichtige Anlaufstelle und ein „Safe Space“. Mehr als 50 trans*-Menschen gehören zu den Patient:innen. Viele von ihnen sind in der Beratung dennoch eher zurückhaltend. „Die Schrillen und Lauten sind die Ausnahme“, erklärt Alex. Auch wenn Apotheken beim Thema Transmedizin Nachholbedarf haben, glaubt sie daran, dass sie sich künftig (weiter) für trans*-Personen öffnen werden. „Der Umgang mit den Menschen sorgt für Veränderungen und kann ein Umdenken bewirken“ – und zwar leichter als in puncto Gendern. Denn: Eine Veränderung „im Kleinen“, zum Beispiel durch den direkten Kontakt mit Betroffenen, ist in der Regel einfacher als ein Umdenken in der kompletten Gesellschaft zu bewirken, in der viele Menschen trans*-Person gar nicht als solche erkennen.
Ab Juli bekommt das Team zudem Zuwachs von einem Apotheker, der selbst trans* ist. Die Apotheke hat dabei explizit nach einer Person aus der LGBTQIA+-Community gesucht. Der Grund: Um die Beratungskompetenz für das Team zu optimieren und den Patient:innen die bestmögliche Versorgung zu bieten, sind Einblicke und Erfahrungen aus der Community wichtig. „Und so erfahren wir alles aus erster Hand. Natürlich machen wir auch Schulungen und sind in engem Austausch mit Ärzt:innen, lernen aber am meisten von den Trans*-Menschen selbst.“ Dank der personellen Verstärkung sei dies nun noch besser möglich.
Transmedizin: „weniger Bürokratie, mehr Patientenwohl“
Außerdem wirkt die Apotheke in einem Arbeitskreis mit, an dem sich auch verschiedene Berliner Arztpraxen aller Fachrichtungen beteiligen, um das Thema Transmedizin nach vorne zu bringen. Konkret geht es darum, feste Behandlungsstandards und eine eigene Verschreibungsrichtlinie sowie passende Abrechnungsschlüssel zu etablieren. Dorthin hat die PTA zuletzt einige Hormonpräparate – beziehungsweise Dummys – zum Testen mitgebracht, um sich im Umgang mit entsprechenden Medikamenten noch vertrauter zu machen. „Das kam super an.“ Denn Ärzt:innen verschreiben die Präparate zwar, müssen aber vor allem bei Anwendungen, die von den klassischen im Beipackzettel abweichen, selbst noch Erfahrungen sammeln. Hinzukommt, dass trans*-Frauen oftmals mehr Fragen zu Anwendung und Co. haben als biologische Frauen in den Wechseljahren, die damit bereits vertraut sind.
In puncto Hormontherapie gibt die PTA zu bedenken, dass die vorhandenen Präparate in Stärke und Darreichungsform oftmals nicht für die Behandlung von trans*-Personen passen. Deshalb arbeitet das Team bereits an individuellen Alternativen. Der Haken: Die Kostenübernahme. Denn weil andere Darreichungsformen zur Verfügung stünden, würden die Kassen beispielsweise die Kosten für eine Rezeptur nicht tragen. Hier wünscht sich die PTA einen Blick über den Tellerrand – „weniger Bürokratie, mehr Patientenwohl“.
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