Praxisregister Schmerz: Profit mit Patientendaten
Etwa jede/r Sechste leidet hierzulande an chronischen Schmerzen. Dabei dauert es mitunter mehrere Jahre, bis eine wirksame Behandlung gefunden ist. Dabei unterstützen soll das sogenannte Praxisregister Schmerz. Eigentlich. Das Problem: Anstatt des ausgelobten Netzwerks von Patientendaten für die stetige Weiterentwicklung der Therapie werden diese zu Profitzwecken verkauft – ohne das Wissen der Betroffenen, zeigt eine Spiegel-Recherche.
Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen weisen eine lange Leidensgeschichte auf. Denn eine Standardbehandlung gibt es nicht, vor allem weil Schmerz individuell unterschiedlich ist. Daher kommt es auf die persönlichen Wahrnehmungen der Patient:innen an. Diese sollen im sogenannten Schmerz-Fragebogen und dem Deutschen Schmerz-Tagebuch der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) erfasst werden, um anhand dessen eine möglichst gezielte Therapie zu finden. Mehr noch: Im Praxisregister Schmerz werden die Daten gesammelt, um „interessierten Ärzten in Deutschland Daten und Auswertungen zur Verfügung zu stellen, die deren Praxisalltag optimieren sollen“, so das Versprechen der DGS.
Doch wie der Spiegel im Rahmen des Projekts „World of Pain“ aufdeckt, dient das Netzwerk – anders als versprochen – weniger dem Wohl aller als vielmehr dem eigenen Profit. Denn die Patientendaten aus dem Praxisregister Schmerz werden mitunter verkauft.
Kritik an Studien mit gesammelten Patientendaten
Genau werden die erfassten Daten unter anderem von Pharmaunternehmen genutzt, um dadurch anhand von „Real World Daten“ die Wirksamkeit bestimmter Arzneimittel gegen chronische Schmerzen belegen zu können. Angeblich werde zuvor eine „vollständige Entpersonalisierung/Anonymisierung“ der Daten vorgenommen, sodass weder Rückschlüsse auf die Patient:innen selbst oder ihre behandelnden Ärzt:innen möglich seien, heißt es in einer Antwort von Michael Überall, Vorstandsmitglied der DGS auf Nachfrage des Spiegels.
Doch ob und wie dies tatsächlich erfolgt, ist nicht bekannt, wie laut Spiegel ein ehemaliger DGS-Vorstand berichtet. Gleiches gilt für die eigentliche Erhebung und Auswertung der entsprechenden Patientendaten. Nicht umsonst werden diese von Expert:innen als „wissenschaftlich wenig belastbar“ eingestuft und „zahlreiche methodische und inhaltliche Mängel“ der damit verbundenen Studien kritisiert. Denn: Die Daten des Praxisregisters Schmerz werden nicht über die DGS selbst, sondern über die Software iDocLive des privaten Auftragsforschungsinstituts O.Meany verwaltet, bei dem Überall Geschäftsführer und somit für die Verarbeitung und Weitergabe der Daten verantwortlich ist.
Profit mit Patientendaten verstößt gegen Datenschutz
Während er abstreitet, über das Praxisregister Schmerz ein Geschäft mit Patientendaten zu betreiben, handelt es sich laut Expert:innen um eine gezielte Marketingstrategie – zum eigenen Profit. Denn es würden stets die für die jeweilige Studie passenden Daten verkauft, die von niemandem überprüft werden könnten. „Immer wenn aus der Pharmaindustrie jemand Interesse hatte, eine Auswertung zu machen, bot Herr Überall die entsprechenden Daten an“, wird ein ehemaliger DGS-Vorstand weiter zitiert.
Hinzukommt, dass es sich bei dem Geschäftsmodell laut einem Datenschützer um einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung handelt. Denn: Patient:innen wüssten nicht, wer ihre Daten in welcher Form und zu welchem Zweck erhält und dass damit Geld verdient wird. Sowohl Ärzt:innen, die die Daten ihrer Patient:innen weitergeben, als auch die Betreiber:innen des Praxisregisters Schmerz würden sich damit prinzipiell strafbar machen, so die Auffassung.
Dem kontert Überall. Demnach hätten die Patient:innen ihr Einverständnis zur Übermittlung der Daten gegeben und ihre Rechte würden kontinuierlich durch die Selbsthilfeorganisation Deutsche Schmerzliga kontrolliert. Der Haken: Der Geschäftsführer ist ebenfalls Präsident der Schmerzliga.
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