Syphilis war bereits ab dem 15. Jahrhundert eine gefürchtete und sich schnell verbreitende Erkrankung, die nahezu unheilbar schien. Versuche der Therapie mit Quecksilber forderten viele Todesopfer. Doch es gab Hoffnung: Salvarsan, ein Arzneimittel mit Arsen.
Bei Syphilis handelt es sich um eine sexuell übertragbare Erkrankung, bei der die Ansteckung über ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Person stattfindet. Hervorgerufen wird die Infektion durch das Bakterium Spirochaeta pallida. Der Verlauf der Erkrankung wird in verschiedene Stadien eingeteilt, bei denen die Schwere der Symptome nach und nach zunimmt. Vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erreichten die Ansteckungen ihren Höhepunkt.
Quecksilber als Heilmittel
Bevor Salvarsan entwickelt wurde, galt lange Zeit die Therapie mit Quecksilber als das Maß aller Dinge. Durch die Anwendung von Quecksilber sollte der überflüssige „Schleim“ beseitigt werden, der laut früheren Ansichten den Körper aus dem Gleichgewicht brachte und so die Infektion mit Syphilis ermöglichte. Zur besseren Wirkung wurden die Erkrankten mit quecksilberhaltigen Salben bestrichen und in überhitzte Räume gelegt. Der eintretende starke Speichelfluss und das Erbrechen wurden als heilungsfördernd angesehen, dabei waren es lediglich die Anzeichen der sich einstellenden Vergiftung mit Quecksilber.
Da der Verlauf einer Syphilis-Erkrankung im Normalfall langsam voranschreitet und mehrere Jahre bis zum Endstadium vergehen können, beschleunigte die Therapie mit Quecksilber zumeist eher das Ableben der Patient:innen.
Entwicklung von Salvarsan durch Paul Ehrlich
Der Erreger Spirochaeta pallida wurde bei Forschungen an der Berliner Charité im Jahr 1905 durch Fritz Schaudinn und Erich Hoffmann entdeckt. Bereits Jahre zuvor begann Paul Ehrlich mit der Forschung an Zellen und stellte mittels Färbeversuchen fest, dass bestimmte Farbstoffe die Mikroorganismen schädigen, ohne dass das umliegende Gewebe beeinträchtigt wird. Die Angriffspunkte, über die der Farbstoff in die Zellen gelangte, waren die Rezeptoren, die wie ein Schlüssel-Schloss-Prinzip funktionierten. So erkannte Ehrlich, dass Zellen spezifisch über ihre Rezeptoren angegriffen werden können.
Gemeinsam mit seinem japanischen Mitarbeiter Sahachiro Hata prüfte Paul Ehrlich organische Arsenverbindungen. Die 606. getestete Verbindung – Arsenobenzol – wirkte in Tierversuchen vielversprechend gegen den Syphiliserreger, ohne dabei schwerwiegende Nebenwirkungen hervorzurufen. 1910 gelang dem Forscherteam um Paul Ehrlich der Durchbruch. Der entdeckte Wirkstoff wurde erstmalig bei Personen eingesetzt, die an Syphilis erkrankt waren – mit überraschendem Erfolg. Das erste Chemotherapeutikum war entdeckt und erwies sich als wegweisend für nachfolgende Forschungen. Bis heute profitiert die Arzneimittelentwicklung von diesem ersten chemisch hergestellten Wirkstoff.
Die Firma Hoechst erkannte das Potential und brachte Arsenobenzol schließlich unter dem Markennamen „Salvarsan“ auf den Markt. Der Name bedeutete „heilendes Arsen“. Die Applikation gestaltete sich allerdings schwierig, da der Wirkstoff schwer löslich und zudem sauerstoffempfindlich war. Zudem entstanden durch die Oxidation von Arsenobenzol giftige Verbindungen. Nach Entnahme des Stoffes aus der Ampulle musste er mit Natronlauge titriert werden, um ihn mit Kochsalzlösung auf die geforderte Menge aufzufüllen. Dies musste in kürzester Zeit geschehen. Durch die komplizierte Anwendung kam es nicht selten vor, dass die Vorbereitung des Arzneimittels nicht korrekt durchgeführt wurde und infolgedessen Nebenwirkungen auftraten.
Abgelöst wurde Salvarsan in der Nachkriegszeit durch das deutlich besser wirksame Penicillin, das die Behandlung vieler Erkrankungen revolutionierte.
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