Kaum zu glauben: Im Jahr 1940 wurde eine radioaktive Zahncreme für – im wahrsten Sinne des Wortes – „strahlend weiße Zähne“ auf den Markt gebracht. Auch viele andere positive Effekte sollte die damals äußerst beliebte Zahncreme haben.
Die von der Berliner Auergesellschaft entwickelte Zahncreme Doramad enthielt das radioaktive Thorium-X, eine Mischung aus Thorium und weiteren radioaktiven Isotopen. Aber nicht nur weißere Zähne versprach die spezielle Zahncreme, sondern durch Radium-Strahlen auch Heilung bei Karies, Parodontitis, eitrigen Entzündungen und vielem mehr.
Überzeugende Werbung für radioaktive Zahncreme
Doramad wurde intensiv beworben. Im Werbeflyer war zu lesen: „Schützen Sie sich durch Pflege mit der biologisch wirksamen, radioaktiven ,Doramad-Zahncreme‘. Durch ihre feine radioaktive Strahlung – welche noch lange nach dem Putzen das Zahnfleisch massiert – werden Zellstoffwechsel, Nahrungszufuhr und Abwehrkräfte wesentlich gesteigert und angreifende Krankheitserreger vernichtet.“ Zudem könne Doramad auch Zahnfleischblutungen beenden, Eiterungen verschwinden lassen und sogar lockere Zähne wieder festigen. Laut der Werbung solle einfach „jeder Doramad benutzen“.
Auf der Rückseite der Tube war zu lesen: „Durch ihre radioaktive Strahlung steigert sie die Abwehrkräfte von Zahn und Zahnfleisch. Die Zellen werden mit neuer Lebensenergie geladen, die Bakterien in ihrer zerstörenden Wirksamkeit gehemmt. Daher die vorzügliche Vorbeugungs- und Heilwirkung bei Zahnfleischerkrankungen. Poliert den Schmelz aufs Schonendste weiß und glänzend. Hindert Zahnsteinansatz. Schäumt herrlich, schmeckt neuartig, angenehm, mild und erfrischend. Ausgiebig im Gebrauch.“ Um einen „sichtbaren gesundheitlichen Erfolg“ zu erreichen, warb die Berliner Auergesellschaft mit einer notwendigen langfristigen Anwendung der radioaktiven Zahncreme.
Eventuell negative Auswirkungen der Radioaktivität der Zahnpasta wurden nicht erwähnt. Der populäre Fall der „Radium-Girls“, bei dem sich Mitarbeiterinnen einer Fabrik in Amerika durch das Bemalen von Ziffernblättern mit radiumhaltiger Farbe eine Strahlenvergiftung zugezogen hatten, wurde beispielsweise nicht ernst genommen und die Gefahr somit deutlich unterschätzt.
Radioaktive Produkte erfreuten sich großer Beliebtheit
Auch in vielen anderen Produkten waren radioaktive Stoffe, allem voran Radium, enthalten. Eine französische Kosmetikfirma entwickelte die apothekenexklusive Reihe „THO-RADIA“ mit Gesichtspudern und -cremes, die durch die Kombination von Thorium und Radium besonders strahlende Ergebnisse erreichen sollten. Aber auch Lippenstifte, Seife, Rouge und Antiseptika mit Thorium und Radium wurden entwickelt. Radium-haltige Schokolade, die als „verjüngendes, beziehungsweise Gesundheit förderndes Nähr- und Genussmittel“ angepriesen wurde, gab es ebenfalls zu kaufen. Hergestellt wurde diese durch die Firma Burk und Braun in Cottbus.
Ein jähes Ende fand die Verwendung von radioaktiven Produkten mit dem Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945. Die Menschen waren schockiert über die negativen Auswirkungen der radioaktiven Strahlung in den betroffenen Gebieten. So endete die anfängliche Erfolgsgeschichte.
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