Die AMK warnte vor wenigen Tagen vor möglichen Medikationsfehlern bei Otriven für Säuglinge. Eine genaue Dosierung der Xylometazolin-haltigen Nasentropfen sei mit der beiliegenden Pipette nur schwer umzusetzen. Apotheker Gunnar Müller aus Detmold wendet sich an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und findet, dass die Zulassung vorübergehend ruhen sollte, wie APOTHEKE ADHOC berichtet.
„Ich beantrage das Ruhen der Zulassung“, schreibt Müller und begründet seine Forderung wie folgt: „Das Medikament verfügt über keine geeignete Dosierpipette, mit der eine ordnungsgemäße Dosierung (ein Tropfen) sicher vorgenommen und eine Überdosierung sicher vermieden werden kann. Die Pipette verfügt insbesondere über keine Gradierung.“ Ein Tropfen je Nasenloch zwei- bis dreimal täglich ist die empfohlene Dosierung der abschwellenden Säuglingstropfen. Die Produktinformation von Otriven 0,025 Prozent enthält einen Warnhinweis, der auf schwere Nebenwirkungen wie Atemstillstand bei Neugeborenen und Säuglingen hinweist. Diese unerwünschten Arzneimittelwirkungen können laut AMK bei der Patientengruppe bereits bei der Applikation von therapeutischen Dosen (zwei- bis dreimal täglich ein Tropfen in jede Nasenöffnung) auftreten. Das Risiko könne sich jedoch durch Überdosieren der Tropfen – auch unabsichtlich – zusätzlich erhöhen. Abhängig vom Druck auf die Pipette ist eine Überdosierung möglich.
Die AMK forderte das pharmazeutische Personal auf, die Risiken schwerer Nebenwirkungen, vor allem infolge einer versehentlichen Überdosierung, in ihrer Beratung zu Otriven Säuglingstropfen zu berücksichtigen. Die Eltern sollen außerdem zur Dosierungsempfehlung und zur richtigen Anwendung der Dosierpipette beraten werden. Gegebenenfalls könne die Anwendung in der Apotheke demonstriert werden. Für Müller ein Aufreger. „Es ist deshalb auch völlig unverständlich, dass Apotheken von Fachkreisen aufgefordert werden, angemessen zur richtigen Anwendung zu informieren und die richtige Applikation zu demonstrieren. Beides ist schlichtweg nicht möglich.“
Müller ist wütend: „Wenn die AMK über das Risiko der Überdosierung informiert, ist das eine Sache, aber sie soll bitte nicht die Apotheken zur Demonstration des ordnungsgemäßen Gebrauchs auffordern, denn dies ist schlichtweg nicht möglich!“ Das Arzneimittel verfüge nicht über einen Normdosentropfer – jeder Tropfen ist somit unterschiedlich groß. Wie viele Tropfen aus dem Plastikrohr letztendlich in der Nase landen, lasse sich nicht nachvollziehen. „Das ist so nicht akzeptabel. Irgendwann ist auch mal Schluss, da muss die AMK dann auch tatsächlich mal handeln.“
Der Apotheker ist der Ansicht, dass diese Gefahr schon länger bei den zuständigen Behörden bekannt gewesen sein müsste, denn bereits im vergangenen Jahr wurden die Produktinformationen diesbezüglich angepasst. „Das Ganze hätte viel früher auffallen können. Seit über einem Jahr gibt es den Hinweis, dass die Tropfen ohne ärztliche Verschreibung nicht mehr bei Säuglingen unter einem Jahr angewendet werden dürfen.“
Anfang 2018 hatte GlaxoSmithKline (GSK) die Altersgrenzen für Otriven angehoben: Den Anfang machte das Nasenspray in der 0,1-prozentigen Dosierung, das seitdem nicht mehr ab sechs, sondern erst ab zwölf Jahren eingesetzt werden soll. Die Tropfen für Säuglinge erhielten den Hinweis, dass die Anwendung bei unter einem Jahr nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen sollte.
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