Im Auftrag eines österreichischen Herstellers fordert eine Kanzlei aus Hamburg die Apotheken jetzt auf, ihre Spermidin-Angebote zu prüfen. Apotheken fürchten Abmahnungen – zu Unrecht im Fall von Orthomol. Der Hersteller gibt Entwarnung.
Orthomol Cellprotect enthält 1 mg Spermidin – gewonnen aus Weizenkeimextrakt. Das Nahrungsergänzungsmittel ist uneingeschränkt verkehrsfähig, wie eine Sprecherin informiert.
„Das in Orthomol Cellprotect enthaltene Spermidin stammt aus Weizenkeimexrakt, der eine Novel Food Zulassung besitzt“, so eine Sprecherin. „Daher ist das Produkt von Orthomol nicht betroffen und kann auch im Herbst 2023 problemlos in der Apotheke vertrieben werden.“
Zum Hintergrund: Es gibt zwei unterschiedliche Herstellungsverfahren. Traditionell wird die Substanz aus ungekeimtem Weizenkeim extrahiert. Um einen höheren Gehalt zu erreichen, wird bei einer anderen Methode Buchweizensaat in einer Lösung zu Sprossen gekeimt, die synthetisches Spermidin enthält. Nach der Ernte werden die Keimlinge mit Wasser gewaschen, getrocknet und zu Mehl gemahlen.
Nach Ansicht des österreichischen Herstellers The Longevity Labs (TLL) sind die angereicherten Produkte als neuartige Lebensmittel einzustufen und damit ohne Zulassung nicht verkehrsfähig. TLL arbeitet mit der ursprünglichen Methode und vertreibt seine Produkte unter der Marke SpermidineLife auch in Deutschland.
TLL hatte den Konkurrenten Optimize Health Solutions vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen in Graz verklagt. Und anders als das Oberlandesgericht Wien, das in einem vergleichbaren Fall zu dem Ergebnis gekommen war, dass es sich nicht um ein neuartiges Lebensmittel handele, legten die Richter in Graz den Fall beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor.
Die Richter kamen zu dem Schluss, dass das Buchweizenkeimlingsmehl mit hohem Spermidingehalt als „neuartiges Lebensmittel“ einzustufen ist. Einerseits sei es in der EU vor dem 15. Mai 1997 als Stichtag nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden, andererseits sei die Sicherheit nicht „durch Daten über seine Zusammensetzung und durch Erfahrungen mit seiner fortgesetzten Verwendung über mindestens 25 Jahre hinweg als Bestandteil der üblichen Ernährung einer signifikanten Anzahl an Personen in mindestens einem Unionsland belegt“. Und schließlich werde es, wie in der Richtlinie bestimmt, nicht mit Hilfe eines üblichen Vermehrungsverfahrens aus Pflanzen gewonnen.
Laut TLL ist die Rechtslage damit „vollkommen klar und unzweifelhaft“: Das Inverkehrbringen eines neuartigen Lebensmittels ohne Zulassung könne nicht nur abgemahnt werden, sondern auch von den Behörden beanstandet und sogar als Straftat geahndet werden.
„Sämtliche Apotheken, die derartige Produkte entweder als Eigenmarken verkaufen oder von Inverkehrbringern weiterverkaufen, machen sich daher strafbar“, so die beiden Geschäftsführer Herbert Pock und Petra Pongratz. Denn vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils könnten sie sich nicht mehr auf eine vertretbare Rechtsauffassung stützen.
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