Einige Zeit war es ruhig in puncto „Opium-Affäre“. Genau geht es um den Streit, ob Tinctura Opii normata Maros Rezeptursubstanz oder Fertigarzneimittel ist. Gestritten wird auf verschiedenen Ebenen. Mehr noch, die Gerichte kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen, die zu Verunsicherungen bei den Apotheken führen. Darf Opiumtinktur noch abgegeben werden?
Opiumtinktur kommt seit Jahrzehnten als Rezeptursubstanz zur Behandlung schwerer Durchfälle sowie zur Behandlung des neonatalen Abstinenz-Syndroms zum Einsatz. Seit 2018 gibt es „Konkurrenz“ in Form eines Fertigarzneimittels. Dropizol wird hierzulande von der dänischen Firma Pharmanovia A/S vertrieben und ist zur Behandlung schwerer Durchfälle, wenn durch die Anwendung anderer Antidiarrhoika keine ausreichende Wirkung erzielt wurde, zugelassen.
Seit Monaten gibt es Ärger und vor verschiedenen Gerichten wird darüber gestritten, ob es sich bei Opiumtinktur Maros um eine Rezeptursubstanz handelt oder nicht. Während das Landgericht Hamburg und das Oberlandesgericht Hamburg Opiumtinktur Maros nicht als Fertigarzneimittel eingestuft haben und der Antrag auf Vertriebsverbot gegen den Ausgangsstoff rechtskräftig zurückgewiesen wurde, teilt das Landgericht Düsseldorf eine gegensätzliche Meinung. Es handele sich um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel, so das Urteil im Juni. Dieses ist jedoch nicht rechtskräftig.
Ein Erfolg für die Klägerin Atnahs Pharma Nordics, die Pharmanovia A/S übernommen hat – ein Rückschlag für Maros. Das LG Düsseldorf hat Maros untersagt, die Ausgangssubstanz zur Abgabe an Apotheken in den Verkehr zu bringen oder durch Dritte in den Verkehr bringen zu lassen. Das Gericht teilt die Auffassung, dass schon die fertig hergestellte Flüssigkeit im Lagertank ein Fertigarzneimittel sei. Warum? Weil nichts Wesentliches mehr damit passieren würde. „Unwesentlich“ wären somit alle aus der Rezeptur erwachsenden allgemeinen Pflichten wie beispielsweise die Einhaltung der Vorgaben zum Raumkonzept, dem Hygienemonitoring, der Wareneingangsprüfung, der Freigabe des Ausgangsstoffs, von Herstellungsanweisung und -protokoll, Plausibilitätsprüfung, dem BtM-gerechten Abwiegen sowie der Freigabe des Rezepturarzneimittels.
Maros hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. „Unsere Berufungsbegründung liegt seit Ende Juni beim OLG Düsseldorf“, teilt das Unternehmen mit.
Pharmanovia informiert die Apotheken über die Entscheidung – die Abgabe an die Apotheken sei „illegal“. Mehr noch: „Da dieses Urteil unmittelbar auch Auswirkungen auf Sie als Apotheker:in oder Großhändler:in hat, sehen wir es als unsere Pflicht an, Sie hierüber zu informieren.“ Außerdem folgt der Hinweis: „Gleichzeitig möchten wir Ihnen Pharmanovia A/S als Hersteller und Anbieter von Dropizol Opiumtinktur als fertiges Arzneimittel vorstellen.“ Was das Unternehmen verschweigt: Dropizol ist derzeit nicht vollumfänglich lieferbar. So ergaben Verfügbarkeitsabfragen verschiedener Apotheken, dass Dropizol nicht in allen Packungsgrößen verfügbar ist. Stand 28. Juli 2021 sind nur Packungen zu 4×10 ml und 10×10 ml lieferbar.
Auf der Webseite von Innocur kann jedoch eine Lieferunfähigkeitsbescheinigung abgerufen werden: „Die innocur Pharma GmbH bestätigt, dass sie aktuell mit der Dropizol 1er Packung PZN 14440524 nicht lieferfähig ist. […] Leider können wir keine Aussage zum Zeitpunkt der Wiederverfügbarkeit der PZN 14440524 treffen.“
Opiumtinktur: Was bedeutet das Urteil für die Apotheken?
Das Gericht hat Maros den Vertrieb von Opiumtinktur als Rezeptursubstanz untersagt, nicht aber den Apotheken. Bislang wurde nur zwei Hamburger Apotheken die Abgabe gerichtlich untersagt. Den in Hamburg verhandelten Fällen zum Abgabeverbot der Opiumtinktur ging ein Testkauf im Dezember 2019 voraus. „Aber auch hier ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, da eine Apotheke in die Berufung gegangen ist. Allen anderen Apotheken ist daher die Abgabe nicht verboten, auch wenn die Dropizol-Vertreiber dies mit ihren Briefen suggerieren wollen“, erzählt ein Insider.
Pharmanovia könnte gegen jede einzelne Apotheke persönlich vorgehen, die Opiumtinktur von Maros abgibt, und diese abmahnen, denn das Urteil gilt nicht pauschal für alle Apotheken (und auch nicht für Opiumtinktur von Caelo), sondern nur für die beklagte Apotheke. Auf der anderen Seite spielt der ärztliche Verordnungswille eine entscheidende Rolle. Ärzt:innen müssen unter anderem wirtschaftlich verordnen, das Fertigarzneimittel übersteigt den Preis der Rezeptursubstanz. (Die Gefahr einer Retaxation scheint nicht allzu groß.) Zudem dürfen Apotheken nicht einfach von der verordneten Rezeptursubstanz auf das Fertigarzneimittel austauschen.
Es gibt jedoch noch einen anderen Weg, die Einstufung von Opiumtinktur zu klären und den Streit zu beenden. Denn die zuständigen Landesbehörden können beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach § 21 Absatz 4 Arzneimittelgesetz (AMG) einen Antrag auf Überprüfung der Zulassungspflicht eines Produktes stellen. Dies hat die für Maros zuständige Regierung Oberfranken bereits im Frühjahr 2019 getan. Eine Entscheidung des BfArM steht allerdings noch aus.
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