Stress um Stress: Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) geht seit mehr als einem Jahr gegen die aus seiner Sicht irreführende Kennzeichnung und Werbung beim Nahrungsergänzungsmittel OmniBiotic Stress (Institut Allergosan) vor. Im Eilverfahren wurden die Bezeichnung und diverse Aussagen untersagt. Allergosan setzt jetzt auf SR-9 – und auf den Bundesgerichtshof (BGH).
Strittig war neben dem Namen die Angabe auf der Vorderseite der Umverpackung: „OmniBiotic Stress mit hochaktiven Darmsymbionten und ausgewählten Vitaminen […] trägt zur normalen Funktion des Nervensystems, zu normaler psychischer Funktion sowie zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei“, hieß es da. Außerdem wurde behauptet, das Produkt sei wissenschaftlich geprüft.
Rückblick
OmniBiotic Stress enthält neun Bakterienstämme und die Vitamine B2, B6, B12; die Gesundheitsaussage ist allerdings im Sinne der Health-Claims-Verordnung (HCVO) nur für die B-Vitamine zulässig. Im Februar 2018 gab das Landgericht Berlin (LG) dem VSW im Eilverfahren teilweise Recht. In zweiter Instanz setzte der Wettbewerbsverein das Verbot aller strittigen Aussagen durch: Das Kammergericht Berlin (KG) untersagte im Mai 2018 sowohl die Bezeichnung OmniBiotic Stress als auch die gesundheitsbezogenen Aussagen.
Gesundheitsbezogene Angaben
Eine gesundheitsbezogene Angabe, mit der „erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht“, ist laut KG nur für die jeweiligen Bestandteile zulässig. Allergosan hatte die Claims aus Sicht der Richter jedoch so verwendet, dass sie nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers dem gesamten Produkt zugeschrieben werden.
Zugunsten von Allergosan gingen die Richter zwar davon aus, dass die Vitamine in ausreichender Menge enthalten sind. Dennoch hätte der Hersteller klarstellen müssen, für welche konkreten Bestandteile die Aussagen gelten. Ein hochgestellte Ziffer genüge nicht aus – zumal laut KG nirgends eine Auflösung zu finden war. Lediglich in der Zutatenliste seien die Bestandteile dann ebenfalls mit der Ziffer versehen gewesen – allerdings auch hier ohne Erklärung. Eine derartige Gestaltung sei nicht vereinbar mit dem Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und sicherzustellen, dass gesundheitsbezogene Angaben „wahrheitsgemäß, klar, verlässlich und für den Verbraucher bei der Entscheidung für eine gesunde Ernährungsweise hilfreich sind.“
Aus demselben Grund wurde der Verweis auf die „hochaktiven Darmsymbionten“ verboten, die laut Gericht nichts mit der Wirkung der B-Vitamine zu tun haben. Was den wissenschaftlichen Nachweis angeht, hatte Allergosan schlichtweg keine Studien vorgelegt. Die Aussage wog umso schwerer, als sie durch ihre räumliche und farbliche Absetzung laut Gericht dem Verbraucher wie ein „Prüf- oder Gütesiegel“ begegne.
Neue Packung – die Erste!
Allergosan stellte die Packung im Herbst 2018 um – allerdings ohne auf den Namen zu verzichten. Die gesundheitsbezogenen Aussagen wurden nun konkret den B-Vitaminen zugeordnet, die Aussage „Wissenschaftlich geprüft“ wurde durch die Formulierung „Wissenschaft und Qualität“ ersetzt.
Wieder ging der Fall vor Gericht, wieder entschieden im Eilverfahren beide Instanzen gegen den Hersteller. Der Name sei auch dann nicht zu rechtfertigen, wenn die gesundheitsbezogenen Aussagen dezidiert einzelnen Bestandteilen zugewiesen würden. Und mit der Aussage „Wissenschaft und Qualität“ werden abermals ein „gehobener Qualitätsanspruch“ suggeriert, der mangels Studien nach wie vor nicht gerechtfertigt sei.
Insofern war auch die Werbeaussage „Das ist das richtige ‚Nervenfutter‘ für stressige Zeiten“ aus Sicht des KG unzulässig, genauso wie die Frage „Für wen ist Omnobiotic Stress geeignet?“, die nicht beantwortet wurde. Stattdessen lieferte Allergosan die Erklärung, dass Stress auch Effekte auf die Schleimhäute habe und dass natürliche Darmbakterien eine zentrale Rolle spielten. Aus Sicht der Richter wurde auch hier ein Zusammenhang zwischen dem Produkt und einer funktionierenden Darmschleimhaut suggeriert.
Allergsan gibt nicht auf
Allergosan will weiter kämpfen. Ziel ist es laut Firmenchefin Anita Frauwallner, schnell zu einem Grundsatzurteil zu kommen. „Bei dieser einstweiligen Verfügung handelt es sich lediglich um eine vorläufige Regelung. Wir unternehmen alle Anstrengungen, um rasch ins Hauptverfahren einzutreten und die aktuelle Rechtsauffassung des Gerichts, welche unserer Ansicht nach im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung steht, durch den BGH überprüfen und revidieren zu lassen.“
Ware muss nicht zurück
Eine Rückgabeverpflichtung für die Apotheke besteht laut Frauwallner nicht. „Als Marktführer ist man natürlich auch im Fokus der Marktbegleiter, denen dieser Erfolg gewaltiges Kopfzerbrechen beschert. Da die Produktqualität selbst außer Frage steht, wurden schon viele Klagen gegen Verpackung und Bezeichnung angestrengt. Nun hat ein Gericht diesem Ersuchen Folge geleistet und eine einstweilige Verfügung gegen die aktuelle Verpackung von OmniBiotic Stress erlassen und der Verpackung damit die Verkehrsfähigkeit genommen“, so Frauwallner. Die Marke Omnibiotic habe sich auf dem deutschen Apothekenmarkt durchgesetzt.
„Die MitarbeiterInnen in den Apotheken haben OmniBiotic zur Nummer 1 Synbiotika-Marke in Deutschland gemacht. Grund dafür ist die überragende Qualität dieser medizinisch relevanten Probiotika, deren Effektivität durch eine Vielzahl an klinischen Studien ausgezeichnet belegt sind und die in international hoch anerkannten Fachpublikationen veröffentlicht werden.“
Neuer Name ohne Stress
OmniBiotic Stress ist bereits unter neuem „unangreifbarem“ Namen und neuer Zusammensetzung in den Apotheken zu finden. OmniBiotic SR-9 enthält zwar dieselben neun Bakterienstämme, aber keine B-Vitamine. Preis und Packungsgröße bleiben unverändert.
Der neue Name wurde laut Frauwallner positiv aufgenommen. „Wurde der Begriff Stress bisher zwar von vielen Personen leicht verstanden, so hat er doch die Fähigkeiten dieser Formulierung nicht im ganzen Umfang widergespiegelt, da zwölf beeindruckende Studienergebnisse zu dieser Formulierung die Leistungsfähigkeit dieser Bakterienkombination in noch ganz anderen Bereichen wie kognitiver Leistungsfähigkeit, neurodegenerativen Erkrankungen und psychischen Beschwerden dokumentieren.“
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