Offener Brief: Apothekenschwächung statt -stärkung
Der Referentenentwurf zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) ist da und die Abda reagiert mit einem offenen Brief an Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach. „Wir hängen uns rein. Und Sie lassen uns hängen!“, mahnt Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening. Der Entwurf steht für Apothekenschwächung statt -stärkung
Die Zahl der Apotheken ist seit Jahren im Sinkflug und die Stimmung so schlecht wie nie. Der Apothekengeschäftsklimaindex (AGI) ist so niedrig wie nie und liegt bei Minus 13. Kein Wunder, stehen Lieferengpässe, Personalmangel und Mehrarbeit an der Tagesordnung. Aussicht auf Besserung gibt es nicht, denn der Referentenentwurf zum ALBVVG hat die Erwartungen der Apotheken nicht erfüllt. „Das Papier lässt mich sowohl in meiner Rolle als Abda-Präsidentin als auch als Inhaberin einer vor Ort versorgenden Apotheke fassungslos zurück“, so Overwiening.
Gesetzentwurf steht für Apothekenschwächung
Der Gesetzentwurf sollte dazu beitragen, die millionenfachen Lieferengpässe wirksam zu bekämpfen, so die Erwartung der Abda-Präsidentin. „Das wird aber nur dann gelingen, wenn Sie uns dauerhaft Entscheidungskompetenzen für den therapiegerechten Austausch von verordneten Arzneimitteln zugestehen.“ Dass Apotheker:innen mit der Beinfreiheit verantwortungsvoll umgehen, haben sie in den letzten drei Jahren unter Beweis gestellt.
„Ihr aktueller Entwurf zeigt mir leider: Sie scheinen diese Leistungen nicht zu würdigen“, so Overwiening an den Minister. Stattdessen sei der Entwurf ein Ausweis von Missachtung und Misstrauen den Apotheker:innen gegenüber.
Aus der angekündigten Apothekenstärkung werde eine weitere Apothekenschwächung! Patient:innen würden schlechter versorgt – während sich Apotheken, Tag für Tag, Nacht für Nacht, für ihre Patientinnen und Patienten reinhängen, lasse der Minister sie hängen. „Damit ist es Ihnen zum wiederholten Male gelungen, meine Kolleginnen und Kollegen nicht nur zu enttäuschen, sondern auch zu demotivieren.“
Das Gesetz werde Patient:innen mehr belasten, die Arzneimittelversorgung verlangsamen und zu mehr Bürokratieaufwand führen.
50 Cent sind Affront
Und auch für die geplanten 50 Cent pro Arztrücksprache hat Overwiening klare Worte: „Die als Engpass-Ausgleich geplanten 50 Cent können nur als Platzhalter für eine angemessene Honorierung verstanden werden. Oder sollen sie einen echten Symbolcharakter haben? Dann sind sie ein Symbol für die Geringschätzung und das Abqualifizieren der apothekerlichen Leistungen.“ Overwienung spricht von einem „schamlosen Betrag“, mit dem 24 Sekunden Arbeitszeit vergütet würden. „Wie soll das reichen, den zeitlichen und personellen Aufwand für das gesamte Management der Lieferengpässe abzufedern?“, fragt die Abda-Präsidentin und fordert einen Engpass-Ausgleich, der sich an der tatsächlichen Arbeitsrealität und Arbeitslast der Apotheker:innen bemisst. „Ihre 50 Cent sind nicht einmal mehr als ein Pflaster zu verstehen, das aufgeklebt wird, sie sind ein Affront.“
Zudem wird der Minister aufgefordert, die Corona-Sonderreglungen zu den Austauschregeln zu verstetigen. „Die Austauschregeln geben Apothekerinnen und Apothekern Entscheidungsräume, die unserem heilberuflichen Auftrag gerecht werden und die Bürokratie abzubauen helfen. Nur mit dieser Beinfreiheit können wir auch die Arztpraxen vor Überbeanspruchung schützen.“
Zugleich kritisiert die Abda die Koppelung der Kompetenzerweiterung an die Engpasslisten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). „Diese Einschränkungen bedeuten eine bürokratische Hürde und verschärfen die Versorgungsprobleme. Listen hinken zeitlich immer hinterher, bilden niemals regionale Situationen ab, gelten nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel und erfassen dadurch nur einen Teil der Lieferprobleme.“
„Um Ihnen die Auswirkungen Ihres Gesetzentwurfs für die Apothekerinnen und Apotheker zu verdeutlichen, möchte ich nochmals um die Möglichkeit eines dringenden persönlichen Gesprächs mit Ihnen bitten“, beendet Overwiening den offenen Brief an Lauterbach.
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