Zur Behandlung schwerer Formen von Akne sind Präparate zur topischen oder systemischen Anwendung mit Isotretinoin Mittel der Wahl, wenn andere Optionen nicht anschlagen. Kein Wunder, dass die Zahl der Verordnungen systemischer Präparate und vor allem der weiblichen Nutzerinnen laut aktuellen Daten steigt. Doch Expert:innen mahnen zur Vorsicht. Denn Isotretinoin sei kein Lifestyle-Medikament.
Akne gehört hierzulande zu den häufigsten Hauterkrankungen. Diese kann nicht nur lästig, sondern auch schmerzhaft sein und sich zu besonders schweren Formen entwickeln. Bleibt eine Behandlung mit systemischen Antibiotika und anderen, lokalen Therapieoptionen ohne Erfolg, kommen unter anderem bei nodulärer, konglobierter Akne oder Akne mit dem Risiko einer bleibenden Narbenbildung Präparate mit Isotretinoin ins Spiel.
Aufgrund der hohen Wirksamkeit hat sich die Zahl der Verordnungen systemischer Präparate in den letzten Jahren fast verdoppelt. Laut Forschenden jedoch ein Problem. Denn: Der Wirkstoff ist teratogen. Vor allem für Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter ist daher Vorsicht geboten und Isotretinoin sollte nicht als Lifestyle-Medikament angesehen werden, so der Appell.
Isotretinoin ist ein Vitamin A-Derivat und verringert langfristig die Talgausscheidungsrate der Haut. Der genaue Wirkmechanismus ist nicht abschließend geklärt. Der Wirkstoff soll jedoch zu einer Verringerung der Propionibacterium acnes-Population beitragen und direkte sowie indirekte entzündungshemmende Effekte besitzen, die unter anderem durch eine Hemmung der Motilität und Migration von Neutrophilen in die Haut erreicht werden. Isotretinoin ist nicht für die Behandlung anderer Hauterkrankungen zugelassen, kommt jedoch mitunter off-label bei Rosazea und aktinischer Keratose zum Einsatz.
Isotretinoin-Expositionen in der Schwangerschaft verdoppelt
Forschende des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie haben in einer Studie die Entwicklung der Verordnungszahlen von systemischen Isotretinoin-Präparaten anhand von rund 50.000 Behandlungsdaten bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter untersucht. Wie hoch die entsprechend verordnete Dosis war, ließ sich anhand der Daten nicht feststellen. Doch es zeigte sich, dass sich die Zahl der Nutzerinnen systemischer Pärparate zwischen 2004 und 2019 um rund 63 Prozent erhöht hat. In der Gruppe der 16- bis 20-Jährigen kam es sogar zu einer Verdoppelung. Denn häufig kommt Isotretinoin nicht nur bei schwerer Akne zum Einsatz, sondern wird als eine Art Lifestyle-Medikament beispielsweise gegen fettige Haut genutzt, kritisieren Expert:innen. Das Problem: Mit den zunehmenden Verschreibungen systemischer Präparate hat sich auch die Zahl der Expositionen in der Schwangerschaft erhöht beziehungsweise ebenfalls verdoppelt. Die Folge: In rund jedem zweiten Fall ein Schwangerschaftsabbruch.
Isotretinoin ist aufgrund seiner Teratogenität in Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Mehr noch: Um eine eventuelle Exposition zu verhindern, sollte während der Therapie mit dem Wirkstoff sowie einen Monat nach dem Absetzen eine wirksame Kontrazeption oder sexuelle Abstinenz erfolgen. Kommt es zu einer Exposition des Ungeborenen, erhöht sich das Risiko einer Fehlgeburt sowie der Entwicklung eines Retinoid-Syndroms, bei dem das Kind unter anderem eine Fehlanlage der Ohren, Defekte bei der Gesichts- und Gaumenbildung, kardiovaskuläre Defekte und Entwicklungsstörungen zentralen Nervensystems aufweisen kann.
„In Deutschland gibt es ein seit langem etabliertes Schwangerschaftspräventionsprogramm für Isotretinoin gemäß den Empfehlungen der EMA. Darüber hinaus müssen Isotretinoin-Rezepte innerhalb von sechs Tagen nach Ausstellung eingelöst werden und der Vorrat pro Rezept ist auf 30 Behandlungstage begrenzt“, heißt es von den Forschenden. Trotzdem zeigte sich eine Vielzahl von Fällen mit Isotretinoin-Exposition. Die Forschenden fordern daher ein höheres Risikobewusstsein bei Verschreibenden sowie Patientinnen. Letztere sollten im Rahmen der Therapie auf die Gefahren hingewiesen werden, und zwar auch nach dem Absetzen. Außerdem sollte eine engmaschige Überwachung – inklusive regelmäßiger Schwangerschaftstests – erfolgen.
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