Sexuelle Unlust – genauer hypoaktives sexuelles Verlangen (Hypoactive Sexual Desire Disorder, HSDD) – betrifft weltweit etwa jede zehnte Frau und jeden zehnten Mann. Als Behandlungsoption könnte nun ein körpereigenes Hormon ins Spiel kommen. So fanden Forschende heraus, dass eine Injektion mit Kisspeptin gegen sexuelle Unlust wirken kann.
Britische Forscher:innen des Imperial College London und des Imperial College Healthcare NHS Trust haben in zwei neuen randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Untersuchungen überprüft, wie sich Kisspeptin bei sexueller Unlust auswirkt. Hintergrund ist, dass bereits durch Studien nachgewiesen werden konnte, dass das Hormon unabhängig von anderen Fortpflanzungshormonen wie Testosteron die Reaktion auf sexuelle Reize verstärken und die Anziehungskraft im Gehirn bei Männern ohne HSDD erhöhen kann. Nun wollten die Wissenschaftler:innen herausfinden, ob dies auch bei HSDD der Fall ist, und zwar geschlechtsunabhängig. Denn bisher gibt es kaum Behandlungsoptionen.
Kisspeptin ist ein körpereigenes Hormon, das die Freisetzung anderer Fortpflanzungshormone im Körper anregt. Seinen Namen verdankt das Peptidhormon dem KiSS1-Gen, das bei der Codierung eine Rolle spielt. Kisspeptin bindet an den GPR54-Rezeptor, was unter anderem zu einer intrazellulären Calciummobilisation führt. Kisspeptin wird vor allem im Gehirn, beispielsweise im Hypothalamus, gebildet. Es kann dazu beitragen, das Metastasieren von Hautkrebs und Brustkrebs zu unterdrücken und spielt eine Rolle für den Beginn der Pubertät.
Kisspeptin wirkt bei sexueller Unlust
Im Rahmen der Studien wurde Proband:innen, die an sexueller Unlust leiden, zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten Kisspeptin und ein Placebo verabreicht. Anschließend wurde analysiert, ob sich das sexuelle Verlangen gesteigert hat – mithilfe von Fragebögen sowie anhand von Untersuchungen der körperlichen Reaktionen.
Das Ergebnis: Sowohl bei den männlichen als auch den weiblichen Teilnehmenden zeigte sich durch Kisspeptin eine signifikante Steigerung der sexuellen Reaktion. Demnach erhöhte das Hormon die sexuelle und anziehende Gehirnaktivität in wichtigen Hirnregionen bei Frauen und steigerte zudem ihr sexuelles Selbstempfinden. Bei Männern erhöhte sich zudem die Steifigkeit des Penis‘ sowie die Freude am Sex durch das Hormon.
„Wir liefern den ersten Beweis dafür, dass Kisspeptin eine potenziell sichere und wirksame Therapie für Frauen und Männer ist, die unter einem geringen sexuellen Verlangen leiden“, heißt es in einer Mitteilung. Die Verträglichkeit war in beiden Patientengruppen hoch, Nebenwirkungen konnten nicht beobachtet werden. Nun sollen auf Basis der Ergebnisse weitere groß angelegte Studien erfolgen, damit im besten Fall verschiedene Behandlungsmöglichkeiten für Kisspeptin bei sexueller Unlust entwickelt werden können.
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