Welche Maßnahmen sollen in der angespannten Corona-Lage kurzfristig verschärft werden? Dazu soll es rasch Beschlüsse geben. Einigkeit besteht darin, dass Impfungen noch einmal deutlich beschleunigt werden müssen. Und im nächsten Jahr soll eine Impflicht kommen.
Wegen der angespannten Corona-Lage müssen sich die Bürger:innen kurzfristig auf schärfere Maßnahmen einstellen. Bund und Länder bereiteten am Mittwoch die nächste Gesprächsrunde zwischen den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten und der Bundesregierung vor, die an diesem Donnerstag entsprechende Beschlüsse fassen soll. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kündigte eine solche Runde am Mittwoch an.
Diskutiert wird unter anderem über deutlich beschleunigte Impfungen, die Schließung von Clubs und Bars, weniger Zuschauer in Fußballstadien und auch über die praktische Umsetzung einer sich abzeichnenden allgemeinen Impfpflicht. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sank zum zweiten Mal in Folge. Allerdings kommen nach Angaben der Amtsärzt:innen viele Gesundheitsämter beim Bearbeiten positiver Corona-Nachweise nicht mehr hinterher.
Themen der Bund-Länder-Beratungen
Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) geht es beiden Bund-Länder-Beratungen am Donnerstag unter anderem um folgende kurzfristige Maßnahmen: die Einführung „umfangreicher Kontaktbeschränkungen“ für Ungeimpfte, auch bei privaten Treffen, eine Ausweitung der 2G-Regel mit Zutritt nur für Geimpfte und Genesene etwa auf den Einzelhandel, Einschränkungen bei Großveranstaltungen, zum Beispiel weniger oder keine Zuschauer in Fußballstadien.
Die Beratungen sollen ein einheitliches Signal senden, je nach Bundesland sind manche der genannten Maßnahmen aber auch bereits umgesetzt. Im Gespräch ist zudem, dass Geimpfte ohne Auffrischung künftig nach sechs Monaten ihren Impfstatus verlieren könnten, allerdings nicht schlagartig, sondern mit Übergangsfristen.
Impfpflicht in Vorbereitung
An einer Impfpflicht für bestimmten Einrichtungen wird schon gearbeitet. Nun soll es bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag auch um die Vorbereitung „einer zeitnahen Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht“ gehen. Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vorgeschlagen, dass der Bundestag darüber entscheidet und die Abgeordneten ohne Fraktionszwang abstimmen sollen. Üblicherweise stimmen Fraktionen im Parlament geschlossen ab. Scholz selbst will einer allgemeinen Impfpflicht zustimmen und rechnet mit einer Einführung im Februar oder März.
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht warf Scholz und anderen Politikern in der „Welt“ „Wortbruch“ in der Frage der Impfpflicht vor. Der Vorstand der Linken sprach sich dagegen in einem Beschluss für eine solche allgemeine Pflicht aus. Die Bundestagsfraktion der Partei werde sich über das Thema austauschen, sagte Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte der dpa, „sollten wir tatsächlich eine Impfpflicht benötigen, dann nur, weil die schwarz-rote Bundesregierung bei ihrer Impfkampagne auf breitester Front versagt hat“. AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla erwartet, dass kein Mitglied seiner Fraktion für eine allgemeine Impfpflicht stimmen wird, wie er der dpa sagte.
Körperlich kann niemand zu einer Impfung gezwungen werden. „Käme es zu einer allgemeinen Impfpflicht, gibt es einen breiten Konsens unter Verfassungsrechtlern, dass es nicht zulässig wäre, Menschen zur Impfung zu zwingen“, sagte der designierte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er geht davon aus, dass bei einem Verstoß gegen die Impfpflicht ein Bußgeld verhängt würde. Mit Bußgeldern können auch Verstöße gegen die geltende Masernimpfpflicht geahndet werden.
30 Millionen Impfungen
Der Deutsche Städtetag formulierte es plastisch: „Wir fordern einen Impfknall. Es muss wirklich eine Impfexplosion geben, dass die vielen Willigen, die sich jetzt impfen lassen wollen, auch wirklich nicht in langen Schlangen stehen“, sagte Präsident Markus Lewe (CDU) am Mittwoch im Interview bei „Welt“. Apotheken, Pflegerinnen und Pfleger, Zahnärzt:innen und die Bundeswehr sollten ermächtigt werden, Impfungen durchzuführen.
Bund und Länder wollen bis Weihnachten bis zu 30 Millionen Erst-, Zweit- und Auffrischungsimpfungen möglich machen. „Das ist logistisch schwer umzusetzen, da etwa 1,5 Millionen Impfungen am Tag verabreicht werden müssten“, sagte Thomas Schulz, Leiter des Instituts für Virologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Genug Impfstoff ist nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums aber verfügbar.
Am Dienstag wurden laut Impfdashboard des Robert Koch-Instituts (RKI) rund 807.000 Dosen verimpft, 656.743 davon waren Auffrischungsimpfungen. Bliebe es bei solchen Tageswerten würden von jetzt an bis Weihnachten rund 20 Millionen Impfungen erreicht.
Unsichere Zahlen
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sank zum zweiten Mal in Folge. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Mittwoch mit 442,9 an. Am Montag war ein Höchstwert von 452,4 erreicht worden, am Dienstag hatte der Wert leicht darunter bei 452,2 gelegen. Allerdings wies die Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Ute Teichert, darauf hin, dass viele Gesundheitsämter derzeit beim Bearbeiten von positiven Corona-Nachweisen nicht mehr hinterherkämen. Sie gehe davon aus, dass die gemeldeten Zahlen nur ein Teil der positiven Nachweise seien, sagte sie der dpa.
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