In Deutschland leben etwa 90.000 Menschen mit HIV. Weltweit sind es etwa 38 Millionen, von denen nur etwa 62 Prozent Zugang zu einer medikamentösen Therapie haben. Wird die Virusinfektion rechtzeitig erkannt und behandelt, kann der Ausbruch von AIDS verhindert werden.
Das HIV-Virus
Das „Human Immundeficiency Virus” (HIV) ist ein lymphotrophes Lentivirus und zählt zur Familie der Retroviren und ist Auslöser der Immunschwächekrankheit Acquired Immune Deficiency Syndrome (AIDS). Entdeckt wurde das Virus 1983. Fand eine Infektion statt, verbleibt das Virus ein Leben lang im menschlichen Körper. Es enthält zwei RNA-Stränge, die von einem Protein und einer Lipidmembran mit Hüllproteinen umschlossen sind.
Die virale RNA wird von der viruseigenen reverse Transkriptase in provirale DNA umgeschrieben. Nach dem Transport in den Zellkern wird diese von der viralen Integrase in das Zellgenom integriert. Hat sich eine Zelle infiziert, kann diese ein Leben lang ein neues Virus produzieren. Daher ist ein Betroffener auch potentiell ein Leben lang ansteckend. Vorausgesetzt die Viruslast ist entsprechend hoch. Liegt diese im Plasma unter 20 Viruskopien/ml und somit unterhalb der Nachweisgrenze, ist die Ansteckungsgefahr sehr gering.
HIV: Keine Übertragung im Alltag
Im Alltag findet keine Übertragung statt. Eine Infektion ist nur möglich, wenn ausreichend Viren durch Körperflüssigkeiten beispielsweise beim ungeschützten Geschlechtsverkehr (anal oder vaginal) oder beim Drogenkonsum übertragen werden. Safer Sex sowie eine Präexpositionsprophylaxe bei Risikogruppen und Safer Use können vor einer Infektion schützen.
Verlauf der HIV-Infektion
Die Ansteckungsgefahr ist in den ersten Wochen nach der Infektion am größten. Eine Infektion verläuft in Phasen. Die akute Phase dauert maximal vier Wochen. Das Virus vermehrt sich nach der Ansteckung rasant und die Zahl der T-Helferzellen (CD4) nimmt infolge der Zerstörung und dem Befall des Virus ab. Die Betroffenen verspüren grippeähnliche Symptome wie Fieber, Lymphknotenschwellung und Abgeschlagenheit.
Im Anschluss folgt die chronische Phase, die unterschiedlich lang ausfallen kann. Die Betroffenen können über Monate oder sogar Jahre beschwerdefrei sein. Dies ist solange der Fall, wie das körpereigene Immunsystem das Virus unter Kontrolle hat und die Virusmenge niedrig bleibt. Verliert das Immunsystem den Kampf, kommt es zum Ausbruch von AIDS. Meist ist dies im Mittel nach acht bis zehn Jahren nach der Erstinfektion der Fall. Vorausgesetzt der Betroffene wurde nicht behandelt oder die Infektion nicht erkannt. Findet keine antiretrovirale Therapie statt, führt dies infolge des geschwächten Immunsystems zum Tod.
Wie wird HIV behandelt?
Antiretrovirale Therapie (ART)
Seit mehr als 20 Jahren gibt es wirksame Therapien. Behandelt wird mit der Kombination aus drei Wirkstoffen. So sollen Resistenzen vermieden werden. Außerdem setzen die Arzneistoffe an unterschiedlichen Stellen im Körper an und können die Vermehrung des Virus hemmen. Bei erfolgreicher Behandlung ist nach einiger Zeit kein Virus mehr im Blut nachweisbar.
Die Betroffenen haben heute dank der erfolgreichen Behandlungsoptionen beinahe die gleiche Lebenserwartung wie nicht infizierte Personen. Aktuell stehen mehr als 20 Wirkstoffe für die HIV-1-Therapie zur Verfügung, die in Verträglichkeit und Compliance immer besser werden. Mehr als 80 Prozent der Betroffen werden hierzulande medikamentös behandelt. Ein Erfolg. Auf der anderen Seite wissen jedoch etwa 12 Prozent nichts von ihrer Infektion.
Backbone und Wirkstoffe
Einige Wirkstoffe werden in Kombination als „Backbone“ bezeichnet. Tenofovir/Emtricitabin ist die häufigste Backbone-Kombi, gefolgt von Abacavir/Lamivudin. Diese bilden die Basis für die individuelle ART und werden mit weiteren Wirkstoffen kombiniert.
- Entry-Inhibitor (EI) wie Maraviroc verhindern ein Eindringen des Virus in die Zelle über den Co-Rezeptor CD5.
- Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) wie Abacavir, Tenofovir, Emtricitabin und Lamivudin verursachen nach dem „Schlüssel-Schloss-Prinzip“ einen Kettenabbruch während der Umschreibung der Virus RNA.
- Nicht-nukleoidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) verändern die Bindungsstelle so, dass die katalytische Funktion der reversen Transkriptase unterbunden wird. Das Virus kann sich nicht mehr vermehren, weil das Überschreiben der viralen RNA in DNA nicht stattfindet.
- Proteaseinhibitor (PI) wie Saquinavir, Ritonavir und Darunavir hemmen die Reifung des neuen Virus. Die Wirkstoffe hemmen die HIV-Protease, die Aminosäuresequenzen in Vorläuferproteinen des gag-pol-Polyproteins schneidet. Diese Spaltung wird vom PI verhindert und es entstehen unreife und nicht infektiöse HIV-Partikel. Das Virus kann sich nicht vermehren. Ritonavir wird außerdem als pharmakokinetischer Booster beispielsweise in Kombination mit Lopinavir eingesetzt.
PrEP und PeP
Die PräExpositions-Prophylaxe (PrEP) kann HIV-Infektionen verhindern und ist inzwischen Kassenleistung. Die zugelassene Fixkombi enthält Emtricitabin und Tenofovirdisoprol. Indiziert ist die PrEP in Kombination mit Safer-Sex bei Erwachsenen einem hohen HIV-Risiko. So soll die Gefahr einer Virusinfektion minimiert werden. Die Zulassung gilt für die tägliche Einnahme einer Tablette.
Keine Zulassung für anlassbezogene PrEP
Für eine anlassbezogene PrEP – zwei Tabletten bis spätestens zwei Stunden vor dem Geschlechtsverkehr sowie je eine Tablette an den folgenden zwei Tagen – gibt es keine Zulassung und auch keine ausreichenden Beweise für eine Wirksamkeit. Voraussetzung für eine Wirksamkeit ist die regelmäßige Einnahme.
PeP so schnell wir möglich
Die Postexpositionsprophylaxe (PeP) bei bestehendem Verdacht einer Infektion sollte so schnell wie möglich begonnen werden. Im Idealfall innerhalb von zwei Stunden nach der Exposition. Eine Risikominimierung kann jedoch auch binnen 24 Stunden erfolgreich sein und sollte spätestens nach 48 Stunden begonnen werden.
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