Rund 18,1 Millionen Grippeimpfstoffe hat das Paul-Ehrlich-Institut bereits freigegeben. Insgesamt 26 Millionen Influenza-Impfdosen sollen für die Grippesaison 2020/21 zur Verfügung stehen. Um den Sprechstundenbedarf zu bedienen, hatten die Hersteller mit der Auslieferung von Packungen zu zehn Impfdosen begonnen – Privatpatienten mussten und müssen zum Teil noch immer auf ihre saisonale Einzeldosis Grippeimpfstoff warten. Dabei könnten Apotheken doch einfach aus der Zehnerpackung eine Impfdosis entnehmen und die Packung Grippeimpfstoffe auseinzeln, oder etwa nicht?
Packung auf und los? Ganz so einfach ist das Auseinzeln nicht. Dabei könnte die Apotheke doch aus der Zehnerpackung Grippeimpfstoff eine Spritze entnehmen, den Beipackzettel kopieren und den Kunden mit der Vakzine in die Praxis schicken, wo diese ohnehin gleich im Arm des Patienten landet. Es stellen sich aber gleich mehrere Fragen: Darf die Apotheke überhaupt auseinzeln und wenn ja, wie teuer ist dann eine Impfdosis, welche Vorgaben gelten für die Abgabe und wer trägt eigentlich das finanzielle Risiko?
Warum die Frage überhaupt aufkommt
Bislang wurden vorrangig die Zehnerpackungen Grippeimpfstoff ausgeliefert und der Sprechstundenbedarf bedient. Der steht aber nicht für Privatpatienten zur Verfügung, sondern ist für die Immunisierung der Kassenpatienten vorgesehen. In der Praxis kommt es jedoch mitunter vor, dass Privatpatienten mit Impfdosen aus dem Sprechstundenbedarf geimpft werden. Der Privatpatient bekommt dann ein Rezept, dass er in der Apotheke einlösen und das Depot der Praxis wieder auffüllen soll. Ist aber keine Einzeldosis lieferbar und die Dosis aus dem Sprechstundenbedarf verimpft, muss die Kasse die Vakzine für den Privatversicherten zahlen, weil der ja keine Packung an die Praxis zurückgeben kann.
Grippeimpfstoffe: Auseinzeln erlaubt
Wird eine Packung ausgeeinzelt, ist von der Abgabe einer Teilmenge die Rede. Und das ist laut § 16 Rahmenvertrag sogar erlaubt, aber nur, wenn der Arzt das wünscht und ausdrücklich auf dem Rezept vermerkt: „Die Abgabe einer Teilmenge aus einer Fertigarzneimittelpackung (Auseinzelung) ist nur auf ausdrückliche ärztliche Anordnung zulässig.“ Das bedeutet im Klartext: Die Apotheke darf auseinzeln, wenn der Arzt es will. Außerdem ist die Abgabe einer Teilmenge aus einer Fertigarzneimittelpackung zulässig, wenn die Vertragspartner des Rahmenvertrages oder die Vertragspartner eines ergänzenden Vertrages nach § 129 Absatz 5 SGB V dies vereinbart haben.
Achtung: Aufgrund der Corona-Ausnahmeregelungen, ist die Abgabe von Teilmengen unter Abrechnung der festgelegten Sonder-PZN gestattet. Ist die abzugebende Packungsgröße nicht lieferbar und die Apotheke gibt eine Teilmenge ab, ist bei der Erstabgabe das Sonderkennzeichen 06461127 auf das Rezept aufzudrucken, in das Feld „Faktor“ kommt eine „1“ und in das Feld „Taxe“ eine „0“. Apotheken dürfen bei der Erstabgabe den vollen Preis des Arzneimittels abrechnen und die gesetzliche Zuzahlung kassieren. Bei der ersten Abgabe können alle Zuschläge (Festzuschlag von 3 Prozent zuzüglich 8,35 Euro zuzüglich 21 Cent zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes sowie die Umsatzsteuer) abgerechnet werden.
Werden aus dieser Packung weitere Teilmengen abgegeben, ist die Pharmazentralnummer des Arzneimittels und zugehörig in das Feld „Faktor“ die „1“ und das Feld „Taxe“ die „0“ aufzudrucken, denn es darf nicht erneut der volle Preis abgerechnet werden. Es darf nur ein Zuschlag von 5,80 Euro zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden. Dazu wird das Sonderkennzeichen 06461133, das für die Abgabe weiterer Teilmengen steht, aufgedruckt. Dazugehörig kommt in das Feld „Faktor“ eine „1“ und in das Feld „Taxe“ die „690“. Eine Zuzahlung ist zu leisten.
Die Sache mit dem Preis
Den Preis kann die Apotheke frei gestalten, denn es wird nach Arzneimittelpreisverordnung abgerechnet – zumindest, wenn es um die Abgabe von Teilmengen an einen Privatpatienten geht. Bei Kassenrezepten muss hingegen eine Preisvereinbarung mit der Kasse getroffen werden, so will es er Rahmenvertrag: „Hat der Vertragsarzt im Einzelfall eine Auseinzelung zur patientenindividuellen Versorgung verordnet, bedarf es vor Abgabe einer Einigung über den Preis.“
Zurzeit gibt es eine Ausnahmeregelung über die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung. Da Grippeimpfstoffe aber über den Sprechstundenbedarfs bestellt werden, wird es in der Praxis zu keinem Auseinzeln für einen Kassenpatienten kommen.
Grundlage für die Preisgestaltung ist das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG). Ausgenommen von der Arzneimittelpreisverordnung sind demnach „die Preisspannen und Preise der Apotheken, wenn es sich um eine Abgabe handelt von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt“.
Was bedeutet das in der Praxis? Kostet eine Einzeldosis Impfstoff 20 Euro und die Zehnerpackung 120 Euro, sollte die Apotheke bei der Preisberechnung das finanzielle Risiko einberechnen. Denn bleibt die Apotheke auf neun der zehn Impfdosen sitzen, gibt es auch kein Geld. In dem Fall bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis – ist klar, dass es für alle zehn Impfdosen einen Käufer gibt, dann kann eine Dosis für 20 Euro verkauft werden. Besteht jedoch die Befürchtung, dass nur eine Impfdosis abgegeben wird, dann kann die Einzeldosis 120 Euro kosten. Das bedeutet: Beim Auseinzeln von Grippeimpfstoffen zahlen Privatpatienten unter Umständen drauf.
Beipackzettel nicht vergessen
Bei der Abgabe von Teilmengen muss nach § 11 Arzneimittelgesetz die Packungsbeilage mitgegeben werden: „Aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, dürfen nur zusammen mit einer Ausfertigung der für das Fertigarzneimittel vorgeschriebenen Packungsbeilage abgegeben werden.“
Außerdem ist § 14 Apothekenbetriebsordnung zu beachten und auch Name und Anschrift der Apotheke müssen angegeben werden. „Soweit es sich bei den Arzneimitteln um aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen handelt, sind neben der vom Arzneimittelgesetz geforderten Kennzeichnung Name und Anschrift der Apotheke anzugeben.“
Willst du immer auf dem Laufenden sein und keine Nachricht mehr verpassen? Dann melde dich für unseren wöchentlichen Newsletter hier an ?.
Das könnte dich auch interessieren
Mehr aus dieser Kategorie
BisoASS: ASS und Bisoprolol als Single Pill
Mit BisoASS bringt Apontis Pharma Acetylsalicylsäure und Bisoprolol als Single Pill auf den Markt. Die Fixkombi kommt in zwei verschiedenen …
Ab 2025: KadeFlora Milchsäurebakterien als Vaginalkapseln
Falsche Hygiene, Stress, Infektionen, Hormonschwankungen oder Arzneimittel: Verschiedene Faktoren können dazu beitragen, die Vaginalflora aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ist …
Weihnachtsgeld: Nur rund die Hälfte bleibt übrig
Knapp neun von zehn Tarifbeschäftigten bekommen in diesem Jahr Weihnachtsgeld, und zwar im Schnitt rund 3.000 Euro, wie Zahlen des …