Unbegründeter Hype oder Multitalent? Dem Sonnenvitamin werden wahre Superkräfte zugeschrieben. Nicht zuletzt, weil Vitamin D3 an zahlreichen Prozessen im menschlichen Körper beteiligt ist. Was kann das Prohormon? Wie kommt es in den Körper und wer benötigt Supplemente? Eine Frischekur für euer Wissen.
Zuerst einmal wird es chemisch. Denn Vitamin D3 ist streng genommen kein Vitamin, sondern zählt zu den Secosteroiden. Über Zwischenstufen wird daraus die physiologisch aktive Form, das Calcitriol, das wiederum in Kombination mit dem Parathormon und Calcitonin maßgeblich an der Regulation des Calcium- und Phosphathaushalts beteiligt ist. In seiner biologisch aktiven Form stimuliert das Sonnenvitamin die intestinale Calciumresorption sowie den Einbau von Calcium in das Osteoid und die Freisetzung von Calcium aus dem Knochengewebe.
Jetzt wird es kleinlich: Vitamin D ist der übergeordnete Begriff für die Gruppe der fettlöslichen Calciferole. Die wichtigsten Vertreter sind Vitamin D2, auch bekannt als Ergocalciferol, und Vitamin D3, das Colecalciferol.
Welche Funktionen hat Vitamin D3?
Das Multitalent ist an verschiedenen Prozessen im menschlichen Körper beteiligt. Dazu zählen nicht nur Stoffwechselvorgänge, sondern auch die Bildung von Proteinen sowie die Steuerung von Genen. Vitamin D moduliert beispielsweise das angeborene und erworbene Immunsystem, da Immunzellen Vitamin D-Rezeptoren besitzen. Die Bildung von Interleukinen funktioniert nur mit Vitamin D.
Das Vitamin unterstützt die Knochen in der Aufnahme von Calcium und Phosphat und sorgt somit für gesunde starke Knochen und wirkt einer Osteoporose entgegen. D3 hemmt die Bildung des Parathormons, das den Knochenabbau fördert. Diskutiert wird auch eine positive Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System, Diabetes Typ 2 und Krebserkrankungen. Allerdings blieben bislang Beweise für kausale Beziehungen aus.
So gelangt Vitamin D3 in den menschlichen Körper
Wir können Vitamin D3 selbst bilden. Alles was dazu nötig ist, ist Sonnenlicht. Genauer gesagt UV-B-Strahlung im richtigen Winkel. Experten zufolge können über die Haut 80 bis 90 Prozent des Vitamins gebildet werden. Nur etwa 10 bis 20 Prozent werden über die Nahrung aufgenommen. Fetter Seefisch, bestimmte Innereien, Eier und Champignons sind geeignete Lieferanten.
Damit der Körper das Sonnenvitamin bilden kann, müssen wir uns im Freien aufhalten. Wer hinter der Fensterscheibe sitzt, hat schlechte Chancen, denn nicht alle UV-B-Anteile des Sonnenlichts können durch das Glas hindurch dringen. Sonnige Zeiten für einen guten Vitamin D3-Spiegel sind hierzulande von März bis Oktober und einer UV-B-Strahlung mit der Wellenlänge 290 nm bis 315 nm. Ob der Körper Vitamin D3 selbst bilden kann, hängt außerdem von den Witterungsverhältnissen, der Höhenlage, der Luftverschmutzung und der Sonnenscheindauer ab. Auch wir selbst können die Produktion beeinflussen. Die Verwendung eines Sonnenschutzmittels kann die Bildung signifikant senken. Auch Kleidung unterbindet die Produktion. Wir sollten täglich zehn Minuten pro Körperseite nackt in die Sonne liegen, um optimal versorgt zu sein. Allerdings beim richtigen Einfallswinkel der Sonne. Je länger der Schatten, desto weniger Vitamin D entsteht in der Haut. Unter 45 Grad kann kein Vitamin D gebildet werden – zwischen Oktober und März steht bei Aufenthalt in Deutschland die Produktion also still.
Hier ein Beispiel: Um 10 μg Vitamin D zu bilden, muss sich eine Person vom Hauttyp III (mittelhelle Haut) von April bis Oktober auf dem 42. Breitengrad (zum Beispiel in Barcelona) zur Mittagszeit mit zu einem Viertel unbedeckter Haut für drei bis acht Minuten in der Sonne aufhalten.
Wann liegt ein Vitamin D Mangel vor und was können die Folgen sein?
Liegt der Vitamin D-Wert unter 20 ng/ml, spricht man von einem Mangel – das Risiko für Erkrankungen wie Rachitis, Osteomalzie oder Osteoporose steigt. Unterhalb von 30 ng/ml spricht man von einer nicht mehr optimalen Versorgung. Werte über 30 ng/ml sind „sonnige“ Werte und belegen einen optimalen Vitamin D-Spiegel. Eine Intoxikation tritt bei bei einem Spiegel größer als 150 ng/ml auf. Von einer Überversorgung sprechen Experten bei Werten von mehr als 50 ng/ml, die negative Folgen wie eine Hyperkalzämie haben können. Deren akute Symptome können Übelkeit, Bauchkrämpfe oder Appetitlosigkeit sein. In schweren Fällen sind Herzrhythmusstörungen oder Nierensteine möglich. Das fettlösliche Vitamin kann im Fett- und Muskelgewebe gespeichert werden.
Wie viel Vitamin D sollte über Supplemente aufgenommen werden?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hatte zu Jahresbeginn neue Referenzwerte für das Sonnenvitamin bekannt gegeben. Den Experten zufolge weisen hierzulande etwa 60 Prozent der Bevölkerung entsprechend der internationalen Kriterien eine unzureichende Versorgung auf. Eine fehlende körpereigene Bildung vorausgesetzt, liegt der Referenzwert der DGE bei 25 μg Vitamin D pro Tag (entspricht 1000 I.E.).
Daumenregel: 1000 I.E. führen zu einer Erhöhung des Blutspiegels um 10 ng/ml bei einem Körpergewicht von etwa 70 kg .
Über die Nahrung nehmen Jugendliche und Erwachsene laut DGE 2 bis 4 μg Vitamin D pro Tag auf.
Andere Arzneimittel: Von Räubern und Interaktionen
Die Einnahme anderer Medikamente kann sich auf den Vitamin D-Spiegel auswirken. Antiepileptika sorgen für einen verstärkten Abbau, Glucocorticoide können zu einem Mangel führen. Probleme kann es auch bei der Kombination von Vitamin D3 und Hydrochlorothiazid geben. Die gleichzeitige Einnahme kann unter Umständen zu einem erhöhten Calciumspiegel in Plasma und Urin führen. Grund für die Hyperkalzämie ist eine verminderte renale Calciumausscheidung. Außerdem kann ein infolge der Vitamin D-Substitution erhöhter Calciumspiegel die Toxizität von herzwirksamen Glykosiden wie Digitoxin erhöhen. Es besteht ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen.
Gleichzeitig kann die Substitution auch Arzneimittelwirkungen verstärken oder Nebenwirkungen reduzieren: Biphosphonate (Alendronat) und Aromatasehemmer (Anastrazol) können Knochen- und Gelenkbeschwerden verursachen, die durch Vitamin D abgeschwächt werden.
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