Der Vertrieb von Accu-Chek Dextrose O.G-T wurde eingestellt. Alternativen für denorale Glucosetoleranztests sind gefragt. Die kommen aus der Apotheke. Bei der Herstellung einer Glucose-Lösung geht es um mehr als nur das Abwiegen von Glucose. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) weist auf die Herausforderungen hin.
Seit 2012 ist das Screening auf Schwangerschaftsdiabetes verpflichtend. Der Test erfolgt in zwei Schritten – in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche müssen werdende Mütter zu einem beliebigen Zeitpunkt beim sogenannten „Glucose Challenge Test (GCT)“ eine Lösung mit 50 g Glucose trinken. Dann wird die venöse Plasma-Glucosekonzentration gemessen. Ist das Ergebnis auffällig, muss ein Nüchterntest durchgeführt werden, der orale Glucosetoleranztest (oGTT) mit 75 g Glucose. Hier kam in der Vergangenheit Accu-Chek Dextrose O.G-T als Fertigarzneimittel mit Einzelzulassung zum Einsatz. Der Vertrieb der trinkfertigen Lösung wurde allerdings eingestellt.
„Um das Risiko einer falschen Diagnose so gering wie möglich zu halten, ist die definierte Herstellung der Glucoselösung für den oGTT von erheblicher Bedeutung“, schreibt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG).
Jetzt sind die Apotheken einmal mehr gefragt. Dabei gibt es jedoch verschiedene Stolpersteine, wie die DDG in einem Positionspapier deutlich macht.
Das Herstellen einer Alternative zur fertigen Glucoselösung scheint auf den ersten Blick trivial – muss doch nur eine festgelegte Menge Glucose abgewogen und diese in Wasser gelöst werden. So einfach, wie es scheint, ist es aber gar nicht. Hier lauern die Gefahren:
- Haushaltszucker ist ein gut lösliches Disaccharid, das aus Glucose und Fruktose besteht, reine Glukose löst sich eher schlecht in Wasser
- Glucosemonohydrat ist deutlich besser löslich, allerdings müssen nicht 75 g, sondern 82,5 g eingewogen werden (Wasseranteil muss berücksichtigt werden)
- für die exakte Abmessung von Glucose und Wasser sind aus Sicht der DDG eine Präzisionswaage und ein Messzylinder notwendig
Abfüllen von Glucose: Das sind die Probleme
Bereits im vergangenen Jahr hat die DDG davon abgeraten, in der Apotheke abgefüllte Glucose für den oGTT in der Arztpraxis aufzulösen. Es bestehe das Risiko für Ungenauigkeiten und Verunreinigungen, was zu falschen Testergebnissen führen könne. Aufmerksamkeit erregte im vergangenen Jahr ein Todesfall in Köln, der anscheinend auf eine Substanz-Verwechselung beim Abwiegen der Glucose in einer Apotheke zurückzuführen sei. Das sind die Kernprobleme aus Sicht der DDG:
- Glucose vs. Glucose-Monohydrat: reine Glucose ist schwerer löslich und muss einige Minuten gerührt werden – bleiben Reste im Glas zurück, können falsch-negative Ergebnisse die Folge sein
- Löslichkeit und Stabilität nur bei definierter Temperatur,
- Bedeutung der Wassermenge zum Auflösen: die zugegebene Flüssigkeit muss präzise abgemessen werden, da sonst das Mischverhältnis verfälscht werden kann, außerdem muss Wasser vorgelegt und die Glucose vollständig gelöst werden
- Zeitdruck in der Praxis bei der frischen Zubereitung: aufgrund der hohen Patientenzahl bestehe Zeitdruck; außerdem stehen den Praxen häufig keine Räume zur Verfügung, die den Hygieneanforderungen entsprechen, was zu Verunreinigungen führen kann
- Nutzen-Risiko bei nicht erkanntem Gestationsdiabetes
„Gemäß Produkthaftungsgesetz können behandelnde Ärztinnen und Ärzte dafür haften, wenn Probleme bei den in der Praxis hergestellten Glucoselösungen auftreten. Sie sind in diesen Fällen rechtlich als Hersteller eines Arzneimittels anzusehen“, so die DDG.
Herstellung einer Glucose-Lösung: Was sind die Alternativen?
Die standardisierte Herstellung einer Glucose-Lösung ist nach der neuen NRF-Vorschrift 13.8 möglich.
Glucose-Monohydrat 27,5 g (entspricht 25,0 g Glucose)
Natriumbenzoat 0,177 g
Citronensäure 0,22 g
Gereinigtes Wasser ad 109,4 g
Laut dem Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) kann auch folgende Rezeptur hergestellt werden:
Glucose-Monohydrat 82,5 g
Citronensäure 1,875 g
Citronenöl 0,0375 g
Doch auch hier zeigen sich Probleme – und zwar in Bezug auf den Wirkstoff, denn laut DDG sei keine GMP-konforme Qualität lieferbar:
- „Glucose-Sirup (Ph. Eur.) ist nicht mehr für Apotheken lieferbar (früher Firma Fagron)
- Glucose (Ph. Eur.) ist lieferbar, aber nicht aus „Good Manufacturing Practice“ (GMP)-konformer Produktion (u. a. Firma Caelo)
- Glucose-Monohydrat (Ph. Eur.) ist lieferbar, aber nicht aus GMP-konformer Produktion.“
Weiter heißt es: „Üblicherweise sollen Arzneimittelwirkstoffe GMP-konform produziert worden sein. Das wäre theoretisch bei Glucose zu realisieren, führt aber zu einem hohen Substanzpreis und eine entsprechende Substanz wird bisher nicht für Apotheken angeboten. Nach Auffassung der Bundesapothekerkammer und der DAC/NRF-Kommission sollte zwar eine GMP-konform produzierte Substanz bevorzugt werden, bei erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten kann aber unter einer Nutzen-Risiko-Bewertung eine nicht GMP-konform produzierte, aber arzneibuchkonforme Substanz verwendet werden.“
Eigenschaften von Glucose-Lösungen und Herstellung (Quelle: Positionspapier DDG)
Pulver zur Herstellung einer Lösung zum Einnehmen | Glucose-Toleranztest (ADKA) | Glucose-Toleranztest (Standardzulassung Nr. 282) | Glucose-Lösung 250 mg/ml (NRF-Vorschrift) | |
Glucose | 75 g Glucose (Ph. Eur.) oder 82,5 g Glucosemonohydrat(Ph. Eur.) | 82,5 g Glucosemonohydrat (Ph. Eur.), äquivalent zu 75 g Glucose | 82,5 g Glucosemonohydrat (Ph. Eur.), äquivalent zu 75 g Glucose | 75 g Glukose (Ph. Eur.) [oder 82,5 g Glukosemonohydrat (Ph. Eur.), äquivalent zu 75 g Glukose] |
Geschmacks- und Farbzusatz | Keiner | Citronensäure-Monohydrat (Ph. Eur.), Citronenöl (Ph. Eur.) | Citronensäure-Monohydrat (Ph. Eur.), Glycerol (Ph. Eur.) | Citronensäure [oder Citronensäure-Monohydrat (Ph. Eur.)] |
Wasser | Trinkwasser | Trinkwasser | Gereinigtes Wasser (Ph. Eur.) | Gereinigtes Wasser (Ph. Eur.) |
Konservierung | Keine | Keine | Benzoesäure(Ph. Eur.) | Natriumbenzoat (Ph. Eur.) |
Sprechstunden-bedarf | Ja | unklar | unklar | unklar |
Die Kostenfrage
„In Anbetracht der häufigen Durchführung des oGTT und dessen Bedeutung für die Patienten, sollten die Krankenkassen die Kosten für die vorgeschlagene Fertiglösung übernehmen, idealerweise sollte es eine bundeseinheitliche Regelung zur Erstattung durch alle Krankenkassen geben“, so die DDG. Mit der etablierten NRF-Vorschrift seien die Voraussetzungen geschaffen, eine bundesweit einheitliche Regelung mit den Kostenträgern zu vereinbaren.
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