Arzneimittel nicht lieferbar, Impfzertifikatsausstellung nicht möglich, Preise erhöht: Gründe für Diskussionen gibt es in der Apotheke genügend. Ist der Geduldsfaden bei manchen Kund:innen besonders kurz, kann die Situation auch eskalieren und es wird handgreiflich. Doch was ist bei Gewalt am Arbeitsplatz zu tun?
Hitzige Gespräche mit Kund:innen, der Apothekenleitung oder den Kolleg:innen zählen nicht gerade zu unseren Lieblingsbeschäftigungen, doch sie gehören leider manchmal dazu – zumindest solange beide Seiten sachlich bleiben und es nicht zu Beleidigungen kommt. In einigen Fällen ist jedoch aller Anstand schnell vergessen. So wurden der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) allein 2019 mehr als 13.000 Gewaltvorfälle mit Beschäftigten gemeldet – Tendenz steigend.
Egal ob es sich dabei um eine Ohrfeige, einen zu festen Griff um das Handgelenk, eine Drohung oder ähnliches handelt: Gewalt am Arbeitsplatz ist ein No-Go. Dabei umfasst die Bezeichnung „eine Bandbreite von inakzeptablen Verhaltensweisen und Praktiken oder deren Androhung, gleich ob es sich um ein einmaliges oder ein wiederholtes Vorkommnis handelt, die auf physischen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden abzielen, diese zur Folge haben oder wahrscheinlich zur Folge haben, und umfasst auch geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung“, wie es von der International Labour Organization heißt. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Angriff durch Betriebszugehörige wie die Kolleg:innen oder den/die Vorgesetze:n erfolgt oder durch Dritte.
Kommt es zu Gewalt am Arbeitsplatz, sollten Betroffene oder ein/e Kolleg:in, der/die Zeug:in war, umgehend den/die Vorgesetzte:n informieren, sodass der Vorfall der Unfallversicherung beziehungsweise der zuständigen Berufsgenossenschaft gemeldet wird. Für Apothekenmitarbeiter:innen ist dies die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Denn es handelt sich um einen Arbeitsunfall, wie die BGW klarstellt. „Meldungen über Gewaltereignisse sind auch dann zu empfehlen, wenn keine körperliche Verletzung vorliegt oder keine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen gegeben ist“, stellt die DGUV klar. Denn: „Nur wenn der Unfallversicherungsträger frühzeitig über solche Ereignisse informiert ist, kann er auch handeln, um langfristige Folgen zu verhindern.“ Daneben steht die (medizinische) Versorgung des/der Betroffenen an erster Stelle, je nach Schwere der Verletzung sollte dafür ein/e (Not-)Ärzt:in und ebenfalls die Polizei verständigt werden.
Achtung: Im Umgang mit dem/der Täter:in ist ähnlich wie bei einem Überfall in der Apotheke Vorsicht angesagt, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Im Ernstfall sollte stattdessen lieber versucht werden, die Polizei zu alarmieren.
Neben körperlichen Folgen hinterlässt Gewalt am Arbeitsplatz, egal ob durch den/die Chef:in, Kolleg:innen oder Kund:innen, vor allem psychisch ihre Spuren. Denn oftmals haben Betroffene Angst vor erneuten Vorfällen und ziehen sich daher zurück, informiert die DGUV. Hinzu kommen gehäufte Fehlzeiten und Veränderungen im Arbeitsverhalten. „In sehr schweren Fällen beobachten wir eine posttraumatische Belastungsstörung. Diese kann auch dazu führen, dass Betroffene nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können“, erklärt Christian Pangert, Präventionsexperte der VerwaltungsBerufsgenossenschaft (VBG).
Damit es erst gar nicht so weit kommt, stehen nicht nur Beschäftigte selbst in der Pflicht, sondern auch Arbeitgeber:innen, vor allem in Berufen mit Kundenkontakt. „Arbeitgebende müssen ihre Beschäftigten vor Angriffen und den negativen Folgen von Gewalt schützen“, stellt die DGUV klar. Das bedeutet, sie müssen unter anderem eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, sodass es nicht zu einem gewalttätlichen Vorfall kommt. Hierbei gilt das TOP-Prinzip: Neben technischen (= T) Voraussetzungen wie Fluchtmöglichkeiten oder einem Notfallknopf spielen auch organisatorische (= O) Punkte eine Rolle, zum Beispiel ein Notfallplan für das Verhalten bei/einem gewalttätigen Vorfall. Außerdem kommen auch personelle (= P) Aspekte hinzu. Das bedeutet unter andere, dass das Beschäftigte für den Umgang mit Gewalt sensibilisiert werden sollten, um eventuell deeskalieren zu können.
Mehr aus dieser Kategorie
ePA: Apotheken dürfen sich nicht weigern
Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) steht kurz bevor. Auch Apotheken können mitunter Ergänzungen und Löschungen in der Akte vornehmen …
BIG direkt gesund: Kulanzregelung für Wundversorgung
Die Übergangsfrist für sonstige Produkte zur Wundbehandlung endete zum 2. Dezember. Seitdem herrscht Unsicherheit in puncto Erstattung. Zwar hat Bundesgesundheitsminister …
E-Rezept: Heilung ausgeschlossen
Das E-Rezept soll Retaxsicherheit bringen – so wurde es zumindest angekündigt, denn es sollte nicht möglich sein, dass E-Rezepte in …