Antibiotika und Fiebersäfte für Kinder sind von Engpässen betroffen. Apotheken müssen den Mangel verwalten und bei einem Lieferengpass Alternativen finden. Welche Möglichkeiten es rechtlich und pharmazeutisch gibt, hat die Apothekerkammer Berlin zusammengefasst.
Dürfen Fieberzäpfchen im Falle der Nichtverfügbarkeit als Rezepturarzneimittel hergestellt werden? Und was gilt bei Fiebersäften und Antibiotika? Diese und weitere Fragen beantwortet die Apothekerkammer Berlin in ihren FAQ (Stand 30. Dezember 2022).
Darf die Apotheke Paracetamol-Zäpfchen auf Kundenwunsch herstellen und ohne Rezept abgeben?
Die Antwort der Kammer lautet Ja. Dies sei als Einzelfall möglich und eine mögliche Alternative. Zwar orientiere sich die Preiskalkulation an der Hilfstaxe, dennoch bestehe wie bei allen apothekenpflichtigen Arzneimitteln keine Preisbindung.
Merke: Wird eine Rezeptur als Alternative hergestellt und soll zulasten der Kasse abgerechnet werden, erfolgt die Preisberechnung gemäß der Hilfstaxe, die als rechtliche und vertragliche Grundlage dient.
Tipp: Andere Darreichungsformen als Alternative nutzen. Ein Beispiel sind Tabletten. Infrage kommt unter anderem Paracetalgin (Ratiopharm). Die Tabletten können suspendiert werden und so eine Alternative für Kinder ab einem Alter von vier Jahren und einem Körpergewicht von 17 Kilogramm sein, wenn Paracetamol-Saft oder Zäpfchen nicht lieferbar sind.
„Paracetalgin kann suspendiert werden. Eine ganze Tablette zerfällt in 15 – 20 ml Wasser in 1 – 2 Minuten zu einem körnigen Granulat“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Größere Kinder können eine Tablettenhälfte auch direkt einnehmen – durch den Filmüberzug lässt sich Paracetalgin relativ leicht schlucken.
Dosierung Paracetalgin:
- Kinder von 4 bis 8 Jahren (17 bis 25 kg/KG) Einzeldosis 250 mg, Tageshöchstdosis 1.000 mg
- Kinder von 8 bis 11 Jahren (26 bis 32 kg/KG) Einzeldosis 250 mg, Tageshöchstdosis 1.000 mg (in Ausnahmefällen 1,5 g täglich)
- Kinder von 11 bis 12 Jahren (33 bis 43 kg/KG) Einzeldosis 500 mg, Tageshöchstdosis 2.000 mg
- ab 12 Jahren (44 bis 65 kg/KG) Einzeldosis 500 mg, Tageshöchstdosis 3.000 mg
- > 65 kg/KG Einzeldosis 500 bis 1.000 mg, Tageshöchstdosis 4.000 mg
Wegen Engpass: Darf die Apotheke Fiebersäfte herstellen und welche Vorgaben gelten in puncto Abrechnung bei der Kasse?
Auch hier lautet die Antwort der Expert:innen Ja. In Abstimmung zwischen dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), dem GKV-Spitzenverband, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der ABDA kann im Fall eines Lieferengpasses auf die Herstellung einer Rezeptur ausgewichen werden. Ärzt:innen wird empfohlen, für den Zeitraum des Engpasses Paracetamol- oder Ibuprofen-haltige Fiebersäfte auf einem separaten Rezept zu verordnen. Dieses könne im Falle der Nichtverfügbarkeit von der Apotheke mit einem Vermerk zur ersatzweisen Herstellung einer Rezeptur nach Rücksprache mit dem/der Verschreibenden versehen werden.
Außerdem sind Wirkstoffverordnungen möglich und sinnvoll. Wirkstoffverordnungen sind in diesem Fall definiert als Verordnungen, die folgende Angaben enthalten:
- Wirkstoff,
- Darreichungsform,
- Dosierung pro Tag und
- Reichweite.
Diese Form der Verordnung ermöglicht es Apotheken, die entsprechenden Arzneimittel unter Berücksichtigung der pharmazeutischen Voraussetzungen abzugeben oder wenn nötig als Rezeptur herstellen und abrechnen zu können, so die Kammer.
Ist eine Defekturherstellung möglich?
Defekturen sind laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) Arzneimittel, „die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes im Voraus an einem Tag in bis zu hundert abgabefertigen Packungen oder in einer diesen entsprechenden Menge hergestellt“ werden. Voraussetzung ist das Vorliegen einer nachweislich häufigen ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung sowie einer Risikobeurteilung, die mit der Plausibilitätsprüfung bei Rezepturen verglichen werden kann. Von Nöten sind auch eine Herstellungs- und eine Prüfanweisung.
Und hier liegt der Hase im Pfeffer – konkret geht es um den Nachweis der häufigen ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung. Doch es gibt eine Ausnahme, die aber Stand jetzt trotz Engpass noch nicht greift. „Sofern eine längere Nichtverfügbarkeit durch das BfArM nachgewiesen ist, kann dieser Nachweis einer regelmäßigen ärztlichen Verschreibung bei der Herstellung von Defekturen in der Apotheke gleichgesetzt werden“, schreibt die Kammer mit Bezug auf das BfArM. Dies sei bisher für Ibuprofen und Paracetamol jedoch nicht der Fall, da kontinuierlich Ware – wenn auch in zu geringen Mengen – ausgeliefert werde.
„Da derzeit beide Voraussetzungen ‚nachweislich häufige Rezepturverordnung‘ oder ‚Nichtverfügbarkeit laut BfArM-Liste‘ (in der Regel) nicht gegeben sind, setzt sich die Apothekerkammer dafür ein, eine rechtssichere Lösung für die Berliner Apotheken herbeizuführen, damit die aufwändige Einzelherstellung durch eine effizientere Defekturherstellung zumindest zeitweise rechtssicher ermöglicht wird.“
Wenn eine Defektur hergestellt werden darf, dürfen die Arzneimittel auch ohne Vorlage eines Rezeptes abgegeben werden?
Ja, denn die geforderte „nachweislich häufige ärztliche Verschreibung“ gilt nur als Voraussetzung für das zulassungsfreie Inverkehrbringen eines Fertigarzneimittels und bedeutet nicht, dass ein Defekturarzneimittel grundsätzlich nur auf Vorlage einer Verschreibung abgegeben werden darf.
Amoxicillin-Saft ist nicht lieferbar, und jetzt?
Die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung bietet den Apotheken noch bis 7. April verschiedene Lockerungen in puncto aut-idem und auch aut-simile-Austausch. Die AMK hat ihre Äquivalenzdosistabellen für den Austausch aktualisiert.
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