Das Pharmaunternehmen Demecan baut seit vergangenem Jahr Cannabis zu medizinischen Zwecken an – und hofft auf die Politik der Ampel-Regierung. Als erste deutsche Firma hat sie nun Pflanzen an die Cannabisagentur ausgeliefert.
Wer sich anschauen möchte, wie mitten in Sachsen legales Cannabis hergestellt wird, muss Geduld mitbringen. Die Produktionshallen der Firma Demecan in Ebersbach ähneln einem Labyrinth aus langen, videoüberwachten Hallen. Immer wieder kommen Schleusen, in denen Besucher:innen ihre Hände desinfizieren, Schuhe und den Mundschutz wechseln müssen. „Wir müssen die Sicherheitsvorkehrungen einhalten, weil wir mit Betäubungsmitteln umgehen und Arzneimittelherstellen“, sagt Co-Gründer Constantin von der Groeben. Der Aufwand hat sich aus seiner Sicht gelohnt – nach dem Richtfest im vergangenen Juli hat das Unternehmen nun zum ersten Mal medizinisches Cannabis ausgeliefert.
Seit 2017 können sich Patient:innen Cannabis für medizinische Zwecke regulär von dem/der Ärzt:in verschreiben lassen. Es dient etwa der Schmerzlinderung bei Schwerkranken. Seitdem boomt das Mittel. Laut Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurden allein im vergangenen Jahr 20,6 Tonnen Cannabis-Blüten und -Extrakte importiert.
Nur drei Hersteller bauen im Auftrag des Staates Cannabis in Deutschland an. Sie haben 2019 eine entsprechende Ausschreibung des BfArM gewonnen. Das Unternehmen Aurora hat seine Produktionsstätte kurz hinter der sächsischen Grenze in Leuna (Sachsen-Anhalt). Mit Tilray, das bereits Cannabis ausgeliefert hat, befindet sich das dritte Unternehmen in Neumünster (Schleswig-Holstein). Beide sind in kanadischer Hand – Demecan sticht als deutsches Start-up heraus.
Die Gründer erzählen, dass sie monatelang im WG-Zimmer in Berlin gesessen und an ihrem Angebot gefeilt hätten. Auf der Suche nach einem perfekten Standort seien sie auf das ehemalige Schlachthofgelände im Landkreis Meißen gestoßen. Die Nähe zu Dresden sei ein Vorteil. Und: Sollte der Bedarf an deutschem Cannabis steigen, könnten die Gründer ihre Produktionskapazität kurzfristig auf über 10 Tonnen Cannabisblüten pro Jahr erweitern.
Derzeit soll Demecan knapp 1.000 Kilogramm pro Jahr produzieren. Insgesamt sieht die Ausschreibung vor, dass die drei Unternehmen in Deutschland über vier Jahre verteilt gut zehn Tonnen herstellen. Wie viel die eigens gegründete und am BfArM angesiedelte Cannabisagentur für die Blüten zahlt, verrät sie nicht. Nur so viel: 4,30 Euro müssten Apotheken pro Gramm an die Agentur zahlen, die als Mittlerin zwischen den Unternehmen und den Apotheken fungiert.
Für die Herstellung in Ebersbach haben die Gründer laut eigenen Angaben 20 Millionen Euro investiert – 30 Prozent davon kamen aus Fördertöpfen, den Rest haben Investoren beigesteuert. Neben dem Ausbau der lange ungenutzten Hallen war vor allem die Technik kostspielig. In jeder einzelnen der Anbauhallen sammelt das Unternehmen akribisch Daten. Ob Temperatur oder CO2-Gehalt: Nichts wird dem Zufall überlassen.
„Unser Ziel ist, den Patientinnen und Patienten bei jeder einzelnen Pflanze dieselbe Qualität zu liefern“, sagt Co-Gründer Adrian Fischer. Jede Blüte müsse denselben Gehalt der Substanz THC enthalten, damit Patient:innen nicht versehentlich zu viel oder zu wenig einnähmen. „Die gleichbleibende Qualität lässt sich am besten im Indoor-Anbau gewährleisten. Das war auch eine der Vorgaben bei der Ausschreibung.“ Damit sind die Anforderungen an die Unternehmen deutlich strenger als andernorts. An seinem Standort in Dänemark stellt das Unternehmen Aurora Cannabis in Gewächshäusern her.
Um den Pflanzen möglichst gute Bedingungen fürs Wachstum zu bieten, simuliert Demecan in den Hallen durch verschiedenes Licht die Jahreszeiten. Co-Gründer Cornelius Maurer läuft mit einem Tablet durch die Reihen, das mit einem speziellen Weißfilter ausgestattet ist. „Nur so lässt sich richtig erkennen, ob die Pflanzen einen satten Grünton haben und gesund aussehen“, sagt er.
Nach dem Produktionsstart im vergangenen Oktober haben die Gründer inzwischen mehrere Pflanzen-Jahrgänge produziert und sind mit der Qualität zufrieden. Neben den Prüfungen im eigenen Labor gibt es weitere externe Kontrollen durch die Behörden. „Wir versuchen immer weiter, die Pflanzen zu verbessern“, sagt Fischer.
Hoffnung macht den Gründern die geplante Legalisierung von Cannabis. Laut Koalitionsvertrag wollen die Ampel-Parteien eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einführen. Dadurch würde „die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“, heißt es. Laut einer Studie des Deutschen Hanfverbands könnte der Staat allein durch die Cannabissteuer jährlich 1,8 Milliarden Euro einnehmen.
Auch die Unternehmen hoffen auf ein großes Geschäft. Sollte die Ampel die kontrollierte Abgabe von Cannabis erlauben, könne Demecan für den breiten Markt beste Qualität liefern, sagt Fischer – und weiter expandieren.
Mehr aus dieser Kategorie
Ersatzkassen-Rabattvertrag: 9 von 14 Antibiotika aus Europa
Gemäß Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) müssen bei Rabattausschreibungen über Antibiotika auch Unternehmen berücksichtigt werden, deren Wirkstoffproduktion in der EU und …
Kinderkrankentage: Verringert Teilzeit den Anspruch?
Sowohl in diesem als auch im kommen Jahr können berufstätige Eltern jeweils bis zu 15 Kinderkrankentage beanspruchen. Ihr Gehalt bekommen …
Diamorphin: Zugang zu „Heroin“ auf Rezept soll erleichtert werden
Diamorphin kommt in der Substitutionstherapie zum Einsatz. Seit 2009 gibt es das „Heroin“ auf Rezept. Seitdem ist die Zahl der …