Honorierte Serviceleistung oder „recht teures Geschenk“? Seit Jahresbeginn zählt das Botendienst-Honorar zu den verstetigten Vergütungen. Aus Sicht der Apotheken war dies längst überfällig, aus Sicht der Ersatzkassen eine Entscheidung, die Fragen aufwirft – der Kostenfaktor sei enorm.
Von vorn: Der Botendienst konnte während der Pandemie dazu beitragen, unnötige Mehrfachkontakte zu reduzieren, die Versorgung von älteren Personen und Risikopatient:innen sicherzustellen und Apothekenbesuche zu reduzieren. Einmal mehr zeigten die Vor-Ort-Apotheken, wie wichtig sie sind – was der Gesetzgeber honorierte: Von April bis Ende September 2020 konnten die Apotheken 5 Euro für den Botendienst zulasten der Kassen abrechnen. Doch seit Oktober gilt das gekürzte Honorar, das aber über das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken verstetigt wurde und einen Platz im Sozialgesetzbuch gefunden hat. Immerhin. Den Ersatzkassen scheint dies ein Dorn im Auge.
„Die zusätzlich zur regulären Vergütung eingeführte Leistung der Botendienste ist weder geeignet, die Rolle der Apotheken in der flächendeckenden Gesundheitsversorgung zu stärken, noch die Versorgung für die Versicherten spürbar zu verbessern. Am Ende muss sie wahrscheinlich als eine ‚Entschädigung‘ der Apothekerschaft dafür betrachtet werden, dass der Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus europarechtlichen Gründen nicht untersagt werden konnte.“
„Bereits in der Vergangenheit war diese Art der Versorgung zulässig, wurde allerdings im Sinne der Kundenbindung von Apotheken in der Regel kostenfrei erbracht.“ Zwar erscheine es aus Infektionsschutzgründen mit dem Ziel der Kontaktreduktion nachvollziehbar, verschreibungspflichtige Arzneimittel im Rahmen des Botendienstes zu liefern, allerdings müsse „nun die Frage erlaubt sein, ob dieser dauerhafte Service von der Versichertengemeinschaft zu finanzieren ist.“ Denn: „Die Abrechnung dieser Leistung ist zudem an keinerlei Bedingung geknüpft, also gerade nicht auf notwendige Fälle wie beispielsweise gebrechliche Patientinnen und Patienten beschränkt“, schreiben die Ersatzkassen im aktuellen Magazin und sprechen von einem „recht teuren Geschenk“. Schließlich kostete der Botendienst die Ersatzkassen in den ersten acht Monaten knapp 29 Millionen Euro.
Versandapotheken erbringen Service kostenfrei
Mehr noch: Aus Sicht der Ersatzkassen müsse die Frage nach dem Vergütungsanspruch auch deshalb gestellt werden, „weil Versandapotheken diesen Service kostenfrei erbringen und damit die oft von der Apothekerschaft eingeforderten ‚gleich langen Spieße‘ zwischen Offizin- und Versandapotheke gerade nicht hergestellt worden sind: Arzneimittel kosten die GKV bei den Vor-Ort-Apotheken mehr als bei konkurrierenden Versandapotheken.“
Botendienst auch nach Honorarkürzung unverändert oft genutzt
Von Ende April 2020 bis Jahresende wurden 7,2 Millionen Botendienste zulasten der Ersatzkassen durchgeführt. Durchschnittlich seien etwa 4 Prozent der Arzneimittelabgaben im Rahmen des Botendiensts erfolgt. Spitzenreiter ist das Saarland. Hier wurde etwa jede 16. Packung über den Botendienst zugestellt. Zum Vergleich: Der bundesweite Durchschnitt liegt bei rund jeder 26. Packung.
Auffällig ist, dass die Honorarkürzung auf 2,50 Euro keinen Einfluss auf die Lieferungen hatte. „Das Honorar scheint also in der jetzt festgelegten Höhe immer noch auskömmlich“, schlussfolgern die Ersatzkassen.
Von 2.000 Euro bis 70.000 Euro
„Allein 24 Apotheken (von über 14.000) sind für ein Viertel der Ausgaben verantwortlich.“ Bei den Spitzenreitern liege die Quote durchschnittlich bei 17 Prozent. Das bedeutet: Jedes sechste Arzneimittel wurde per Botendienst zugestellt. „Einige Apotheken rechneten sogar für bis zu 50 Prozent aller Arzneimittel einen Botendienst ab.“
„Für diese Apotheken rechnet sich das Botendienstgeschäft: Neben der garantierten Vergütung für das Arzneimittel erhöht sich das Honorarvolumen in erheblichem Umfang“, so die Ersatzkassen. Das bedeutet in Zahlen: Im Durchschnitt hat eine Apotheke seit Einführung des Botendiensthonorars etwa 2.000 Euro für die Leistung von den Ersatzkassen erhalten. Bei den Spitzenreitern liegt die Summe deutlich höher und beläuft sich auf mehr als 70.000 Euro. „Hochgerechnet auf die gesamte GKV und ein ganzes Jahr ergibt sich der schwindelerregende Wert von etwa 200.000 Euro.“
Ein lukratives Geschäft – zumindest aus Sicht der Ersatzkassen. Denn die befürchten, „dass mehr Apotheken auf den Zug aufspringen und die Kosten dafür noch erheblich steigen werden. Die Einführung des E-Rezepts wird diese Entwicklung sicher noch befördern.“
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