Ab Sommer sollen Biosimilars wie Generika behandelt werden und automatisch ausgetauscht werden. Die Therapietreue der Patient:innen sei in Gefahr, befürchten Expert:innen. Und auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) lehnt aus Gründen der Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sowie der Pharmakovigilanz eine „automatische Substitution“ von Biosimilars ab.
„Spätestens bis zum August 2022 wird der G-BA über die Möglichkeiten zum Austausch von ärztlich verordneten Biologika in Apotheken beschließen“, informiert der Gemeinsame Bundesausschuss. Denn bei allen Biosimilars, die mit Bezug auf dasselbe Referenzarzneimittel zugelassen wurden, könne grundsätzlich von einer therapeutischen Vergleichbarkeit ausgegangen werden. Doch Expert:innen warnen: „Die automatische Substitution kann Therapien gefährden“ und der Kostendruck zu einer Abwanderung der Produktion führen. Während Biosimilars der ersten Welle fast ausschließlich in Europa und den USA produziert wurden, werden die der zweiten Welle nun auch in Asien hergestellt. Vor kurzem meldete sich die AMK mit einer Stellungnahme zu Wort.
„Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) lehnt aus Gründen der Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sowie der Pharmakovigilanz eine durch gesetzliche oder untergesetzliche Vorgaben uneingeschränkt zu erfolgende ‚automatische Substitution‘ verordneter Biologika/Biosimilars in öffentlichen Apotheken ab.“
Die Gründe: Weil Biologika anders als klassische Arzneimittel biogenen Ursprungs sind, sei es nicht möglich, einen Wirkstoff identisch nachzuahmen. Außerdem seien Chargenvariabilitäten unvermeidlich, so die Expert:innen.
Wirkstoffe von Biologika entstehen in lebenden Zellen oder gentechnisch veränderten Organismen. Es handelt sich um rekombinante Eiweiße wie Antikörper, Hormone oder Zytokine und Produktionssysteme wie bakterielle oder eukaryotische Zellen, Hefen und Pflanzen.
Außerdem gefährde eine automatische rabattvertragsgesteuerte Substitution die Patienten- und Arzneimittelsicherheit. Möglich ist dies beispielsweise durch Unterschiede in der Handhabung, was zu Verunsicherung, Vertrauensverlust bis hin zur Therapieverweigerung führen könne und die Gefahr von vermehrten Medikationsfehlern berge.
Biologika/Biosimilars unterliegen für mindestens fünf Jahre nach der Zulassung einer zusätzlichen Überwachung, so die AMK. Nebenwirkungen können zudem aufgrund bestehender Variabilitäten chargenspezifisch auftreten. Gemäß der europäischen Pharmakovigilanz-Richtlinie muss daher bei Berichten zu vermuteten Nebenwirkungen auch die Nummer der Herstellungscharge angegeben werden. Doch diese ist den Ärzt:innen in der Regel nicht bekannt. „Die AMK hält es daher für dringend notwendig, IT-unterstützte robuste Lösungen zu realisieren, um die Dokumentation des Handelsnamens des abgegebenen Arzneimittels sowie der jeweiligen Herstellungscharge im Sinne einer eindeutigen Rückverfolgbarkeit bei Meldung von Arzneimittelrisiken, beispielsweise durch automatisierte Hinterlegung in der elektronischen Patientenakte, zu ermöglichen.“
Das Fazit der Expert:innen: „Die AMK mahnt, die Versorgungs- und Liefersicherheit für Patientinnen und Patienten im Bereich der Biologika/Biosimilars nicht aufgrund einer Rabattvertrags-gesteuerten Marktkonzentration sowie nachgelagerter Adaptionsprozesse (z. B. Verlagerung von Produktionskapazitäten in das außereuropäische Ausland) zu gefährden.“ Die Expert:innen lehnen die Einführung einer Rabattvertraggesteuerten „automatischen Substitution“ von Biologika in der öffentlichen Apotheke ab und fordern, die vorgesehene „automatische Substitution“ ab August 2022 auszusetzen. „Die beabsichtigte Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven darf nicht zulasten der Patientensicherheit erfolgen.“
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