Apotheken stehen während der Corona-Krise vor großen Herausforderungen. Sie sollen die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherstellen und die Mitarbeiter schützen. Dazu hat die Bundesapothekerkammer (BAK) einen Hinweiskatalog mit Schutzmaßnahmen mit dem Titel: „Empfehlungen der Bundesapothekerkammer zu Arbeitsschutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Biostoffen – Tätigkeiten in der Apotheke während einer Covid-19-Pandemie“ veröffentlicht.
SARS-CoV-2 ist Biostoff
Der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) hat das neuartige Coronavirus als „Biostoff“ eingestuft: „Das neuartige Coronavirus ‒ nachfolgend Sars-CoV-2 genannt – ist gemäß § 2 Biostoffverordnung (BioStoffV) ein Biostoff“ – und zwar der Risikogruppe 3, für den die Schutzstufe 2 gilt.
Übertragen wird das neuartige Coronavirus per Tröpcheninfektion. Mögliche Übertragungswege im Handverkauf sind laut BAK Inhalation (Aerosol/Tröpfchen) und Schmierinfektion. Infektiöse Sekrete können an die Hände (auch indirekt über Oberflächen, Taschentücher, Geld, Rezept) gelangen und durch Berühren des Gesichts oder der Schleimhäute auf den Apothekenmitarbeiter übertragen werden.
Beschäftigungsverbote
Laut BAK müssen Inhaber aufgrund der Einstufung des Virus in die Risikogruppe 3 eine Entscheidung über ein Beschäftigungsverbot für Schwangere und Stillende gemäß Mutterschutzgesetz (MuSchG) sowie für Jugendliche gemäß Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) treffen.
„Mit Beschluss vom 19.02.2020 hat der ABAS den Sars-CoV-2 nach § 3 Abs. 1 BioStoffV vorläufig in die Risikogruppe 3 eingestuft, sodass der Apothekenleiter eine Entscheidung über ein Beschäftigungsverbot für Schwangere, Stillende und Jugendliche in seiner Apotheke treffen muss.“
BAK
Gemäß MuSchG dürfen Arbeitgeber schwangere und stillende Frauen keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie in einem Maß mit Biostoffen der Risikogruppe 2, 3 oder 4 in Kontakt kommen oder kommen könnten, das für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstelle, so die BAK.
Gemäß JArbSchG dürften auch Jugendliche nicht mit Arbeiten, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von Biostoffen im Sinne der BioStoffV ausgesetzt seien, beschäftigt werden, es sei denn, diese Tätigkeit sei zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich und die nicht gezielte Tätigkeit falle nach Biostoffverordnung nicht in die Schutzgruppe 3 oder 4.
BAK-Schutzmaßnahmen im HV: Plexiglaswände empfohlen
- Mitarbeiter mit Krankheitszeichen wie beispielsweise Fieber, Husten und/oder Atemnot oder Schüttelfrost sollen die Arbeit beenden und die Symptome ärztlich abklären lassen.
- Die Zahl der Mitarbeiter in der Offizin ist auf ein notwendiges Maß zu beschränken.
- Zwischen den Mitarbeitern und Patienten ist ein räumlicher Abstand zu wahren und gegebenenfalls Barrieren wie beispielsweise Plexiglaswände aufzustellen.
- Gegebenenfalls nur eine begrenzte Anzahl an Patienten gleichzeitig in der Offizin zulassen.
- Allgemeine Maßnahmen zu Hygiene und Arbeitsschutz beachten.
- Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen
- Hautschutz- und Händehygienemaßnahmen
- Geeignete Arbeitskittel, Mund- und Nasenschutz
Der Arbeitgeber müsse die vom ABAS ermittelten Regeln und Erkenntnisse berücksichtigen oder gleichwertige Schutzmaßnahmen treffen, so die BAK in ihrem Leitfaden.
Botendienst
„Eine potenzielle Infektionsgefahr durch den direkten Kontakt mit dem Erkrankten besteht auch für Apothekenmitarbeiter, die im Rahmen des Botendienstes (Home Service) Arzneimittel an Covid-19-erkrankte Patienten nach Hause liefern.“ Boten sollen laut BAK-Empfehlung möglichst den direkten Kontakt mit dem Patienten vermeiden, die Wohnung nicht betreten, räumlichen Abstand zum Patienten wahren und dem Patienten nicht die Hand geben. Werden Rezepte in Empfang genommen, sollten diese in wiederverschließbare Plastiktüten verpackt und transportiert werden.
BAK-Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen in der Apotheke
Allgemeine Hygieneempfehlungen
- Vermeiden von Händegeben, Anhusten und Anniesen
- Husten und Niesen in die Ellenbeuge
- Vermeiden von Berührungen der Augen, der Nase und des Mundes
- Benutzung und sichere Entsorgung von Einmaltaschentüchern (Abfallbehälter mit Deckel und Plastiktüte)
- regelmäßige intensive Raumbelüftung
- Empfehlung für fieberhaft Erkrankte, zu Hause zu bleiben, um weitere Ansteckung zu verhindern
- gegebenenfalls nur eine begrenzte Anzahl Patienten gleichzeitig in die Offizin lassen
- Vermeidung enger Kontakte zu möglicherweise erkrankten Personen
- Verzicht auf den Besuch von Theatern, Kino, Diskotheken, Märkten, Kaufhäusern
- Vermeidung von Menschenansammlungen
- gegebenenfalls Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Öffentlichkeit, um die Umgebung ggf. vor der Ansteckung mit eigenen SARS-CoV-2-Viren zu schützen
Desinfektionsmittel
- Einsatz von Desinfektionsmitteln für Hände- und Flächendesinfektion mit Wirksamkeit gegen umhüllte Viren, die als „begrenzt viruzid“ wirksam deklariert sind.
- Für die Zubereitung der Desinfektionsmittellösungen nur kaltes oder handwarmes (kein heißes!) Wasser verwenden.
- Desinfektionsmittelkonzentrate nur in das Wasser geben, nicht umgekehrt.
- Unterschiedliche Desinfektionsmittel nicht miteinander mischen, keine Zugabe von Reinigungsmitteln.
Händedesinfektion
- Schmuck an Händen und Unterarmen, Uhren, Ringe (auch Eheringe) vor der Tätigkeit ablegen
- Hygienische Händedesinfektion mit geeigneten begrenzt viruziden Händedesinfektionsmitteln immer, wenn direkter Kontakt mit erkrankten Patienten oder Verdachtsfällen, direkter Kontakt mit kontaminierten Gegenständen, z. B. Geld, Rezept, Taschentüchern, bzw. ein sonstiger Kontakt mit Krankheitserregen bestand oder nicht auszuschließen ist und vor der Nahrungsaufnahme
- Hände nach dem Ablegen des Mund-Nasen-Schutzes desinfizieren
- Händedesinfektionsmittel nur auf trockenen Händen anwenden
- ausreichend große Menge Desinfektionsmittel verwenden, um die Hände während der vorgeschriebenen Einwirkzeit feucht zu halten
- Hände vollständig mit Händedesinfektionsmittel benetzen (Benetzungslücken vermeiden vor allem auf Fingerkuppen, Nagelfalze, Daumen, Handgelenke, Fingerseitenkanten und Fingerzwischenräume achten)
- für die kontinuierliche Händedesinfektion im HV-Bereich persönliches Händedesinfektionsmittel bereithalten oder Direktspender für Händedesinfektionsmittel (mit Ellenbogen bedienbar, ohne Handkontakt) und mit Einwegbehältern bestückt
Flächendesinfektion
- Regelmäßige Desinfektion (mindestens arbeitstäglich und nach Bedarf) von Flächen, die besonders häufig in Kontakt mit Patienten kommen bzw. durch Aerosolbildung kontaminiert werden (Türgriffe, Nachtdienstklingel und -schalter, HV-Tisch, Broschürenständer im HV-Bereich)
- die tägliche Reinigung des Fußbodens ist ausreichend
- Arbeitstägliche Desinfektion in dem Bereich, in dem die gebrauchte persönliche Schutzausrüstung gewechselt und abgelegt wird
- Für die Flächendesinfektion je nach verwendetem Flächendesinfektionsmittel geeignete Schutzhandschuhe (Haushaltshandschuhe, chemikalienbeständige Schutzhandschuhe nach DIN EN 374) tragen
- Gebrauchsanweisungen der Desinfektionsmittelhersteller hinsichtlich Konzentration und Einwirkzeit beachten
- Nach vollständigem Abtrocknen der behandelten Fläche kann diese wieder benutzt werden; vor Ablauf der angegebenen Einwirkzeit muss mit vermindertem Desinfektionsergebnis gerechnet werden
- Alternativ kann beispielsweise ein HV-Tisch abschnittsweise desinfiziert und vorübergehend für die Benutzung gesperrt werden
Schutzkleidung
- Arbeitskittel soll so viel unbedeckte Haut und Privatkleidung der Beschäftigten bedecken, wie möglich
- Wechsel des Kittels nach erfolgter Kontamination
- Arbeitskittel bei mindestens 60 Grad waschen
- getrennte Aufbewahrungsmöglichkeit für Arbeits-/Schutzkleidung und Straßenkleidung
- Kontakt der Schutzkleidung mit der Straßenkleidung vermeiden
- Bereich, in dem die gebrauchte persönliche Schutzausrüstung gewechselt und abgelegt wird, einrichten
- mit der Arbeits-/Schutzkleidung den Pausen-/Sozialraum nicht betreten
Schutzhandschuhe
- Das Tragen von Schutzhandschuhen aus hygienischen Gründen in der Offizin wird nicht empfohlen.
- Das durchgehende Tragen von Schutzhandschuhen sollte auf maximal zwei Stunden täglich begrenzt werden.
- Bei Tragezeiten über zehn Minuten möglichst Baumwollhandschuhe unterziehen oder Schutzhandschuhe mit einer Innenbeschichtung aus Baumwolle verwenden.
- Schutzhandschuhe zum einmaligen Gebrauch in geschlossenem Behältnis entsorgen.
- Nach Ablegen der Handschuhe hygienische Händedesinfektion.
- Nach Kontakt mit gefährlichen Substanzen Handschuhe immer nach außen gekrempelt ausziehen und Kontakt mit Außenseite des Handschuhs vermeiden.
- Handschuhe nur auf trockenen, sauberen Händen benutzen.
Atemschutz
- Mund-Nasen-Schutz bei Tätigkeiten mit Patientenkontakt tragen (dabei auf Ressourcenschonenden Einsatz gemäß den Empfehlungen des RKI achten)
- Mund-Nasen-Schutz bei Durchfeuchtung wechseln
- Tragedauer maximal acht Stunden (ein Arbeitstag)
- nach Gebrauch direkt und sicher entsorgen
- hygienische Händedesinfektion nach Absetzen des Mund-Nasen-Schutzes
- keine Evidenz für wirksameren Schutz partikelfiltrierender Halbmasken (FFP2) gegenüber Mund-Nasen-Schutz
Weitere Informationen rund um Themen zum neuartigen Coronavirus findest du hier ?.
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