Eltern, Kinder oder Partner können von heute auf morgen zum Pflegefall werden. Für Arbeitnehmer ein Horrorszenario, denn es werden nicht nur die Liebsten aus dem Alltag gerissen, sondern auch der pflegende Angehörige. Nur schwer lässt sich die Ausnahmesituation mit einem Vollzeitjob vereinbaren. Um alles Notwendige zu regeln oder selbst die Pflege zu übernehmen, bietet der Gesetzgeber verschiedene Varianten für eine berufliche Auszeit.
3,4 Millionen Menschen waren Ende 2017 pflegebedürftig. Prognosen zufolge soll die Zahl bis zum Jahr 2060 deutschlandweit auf rund 4,53 Millionen Menschen ansteigen. Treffen kann es jeden, zu jeder Zeit. Wird ein Angehöriger zum Pflegefall, kann dies für den Berufstätigen eine kaum stemmbare Doppelbelastung sein. Kaum jemand weiß, wo ihm in einem solchen Extremfall der Kopf steht. Wie sollen Familie, Arbeit und Pflegefall unter einen Hut gebracht werden? Hilfe kommt mit dem Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, das seit 2015 in Kraft ist und Arbeitnehmern vier Möglichkeiten für eine berufliche Auszeit bietet.
Kurzzeitige Arbeitszeitverhinderung
§ 2 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) bietet Berufstätigen, die einen Pflegefall haben, die Möglichkeit, ihre Arbeit für zehn Tage zu unterbrechen. „Beschäftigte haben das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.“
Ein Antrag beim Arbeitgeber muss vorab nicht gestellt werden, dieser ist jedoch unverzüglich zu informieren und wenn gefordert, ein Attest vorzulegen. „Beschäftigte sind verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dem Arbeitgeber ist auf Verlangen eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und die Erforderlichkeit der in Absatz 1 genannten Maßnahmen vorzulegen.“
Anspruch auf Lohnfortzahlung hat der Arbeitnehmer nicht. Es besteht jedoch unter Umständen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld, das von der Pflegekasse des Pflegebedürftigen gezahlt wird.
Ausnahme wegen Corona: Im Zeitraum vom 23. Mai 2020 bis einschließlich 30. September 2020 kann der pflegende Angehörige bis zu 20 Arbeitstage von der Arbeit fernbleiben, wenn die akute Pflegesituation aufgrund der Covid-19-Pandemie aufgetreten ist.
Pflegezeit
Wird der Pflegebedürftige zuhause versorgt, sind Arbeitnehmer berechtigt, von der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG Gebrauch zu machen. Möglich ist eine vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit von bis zu sechs Monaten. „Beschäftigte sind von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen (Pflegezeit).“
Beim Arbeitgeber ist spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn ein schriftlicher Antrag zu stellen. Dieser sollte den Zeitraum und den Umfang der Freistellung von der Arbeitsleistung festlegen. Wird eine teilweise Freistellung in Anspruch genommen, ist die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben.
Pflegezeit kann in Anspruch genommen werden, wenn mehr als 15 Beschäftige in einer Apotheke arbeiten. Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht nicht. Auch Pflegeunterstützungsgeld wird nicht gezahlt, allerdings kann ein Antrag auf ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gestellt werden.
Familienpflegezeit
Die Pflegezeit kann in die Familienpflegezeit nahtlos übergehen. Arbeitnehmer können sich jedoch maximal 24 Monate freistellen lassen, vorausgesetzt der Angehörige wird zuhause gepflegt. Angestellte müssen jedoch mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten. Verankert ist dies im Familienpflegezeitgesetz. „Wer Familienpflegezeit nach § 2 beanspruchen will, muss dies dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich ankündigen und gleichzeitig erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang innerhalb der Gesamtdauer nach § 2 Absatz 2 die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll. Dabei ist auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben.“
Der Pflegende kann für die Zeit einen Antrag auf ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben stellen. Familienpflegezeit ist möglich, wenn mehr als 25 Beschäftigte in der Apotheke arbeiten.
Sterbebegleitung
Wurde für einen nahen Angehörigen eine Erkrankung diagnostiziert, für die eine Heilung ausgeschlossen, eine Palliativbehandlung angezeigt und die Lebenserwartung auf wenige Woche oder Monate begrenzt ist, kann der Arbeitnehmer ganz oder teilweise von der Arbeit freigestellt werden. Eine Auszeit von der Arbeit ist für bis zu drei Monate möglich. Außerdem kann ein Antrag auf ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gestellt werden.
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