Wenn es darauf ankommt, halten die Heilberufler:innen zusammen. In einer gemeinamen Presskonferenz haben Vertreter:innen der Apotheker-, Ärzte- und Zahnärzteschaft einen „Notruf“ an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gesendet und ihn zum schnellen Handeln aufgefordert.
Anlass für die gemeinsame Pressekonferenz von Abda, Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) ist die angespannte flächendeckende und wohnortnahe Versorgungslage von Patient:innen, die sich weiter zu verschlechtern droht. Unter dem Motto „Vereint für die freien Heilberufe“ machten daher Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, KBV-Chef Dr. Andreas Gassen und KZBV-Chef Martin Hendges heute auf die aktuelle Situation der freiberuflichen Heilberufe in Deutschland aufmerksam und sendeten einen „Notruf“ an den Bundeskanzler und die Politik im Allgemeinen.
„Ein überbordendes Maß an Bürokratie, eine seit Jahren unzureichende finanzielle Ausstattung zur Versorgung der Patientinnen und Patienten, eine Digitalisierung, bei der die Heilberufler in wichtigen Fragen außen vor gelassen werden, ein belastender Fachkräftemangel, wenig Verständnis für eine präventive Versorgung sowie die durch den Sparwahn der Krankenkassen ausgelöste Krise der Arzneimittel-Lieferengpässe drohen die von der Bevölkerung hoch geschätzte Versorgung mit der Apotheke und Praxis vor Ort unwiederbringlich zu zerstören“, heißt es.
„Notruf“ an Scholz gegen Pläne aus dem BMG
Somit sei die heutige Pressekonferenz auch als „Notruf der freien Heilberufe“ zu verstehen, so Overwiening. Denn bisher orientiere sich die Politik in ihren Entscheidungen nicht am Versorgungsalltag. Eigentlich wollte die Ampel-Regierung die Versorgung verbessern, doch stattdessen werde es den freien Heilberufen immer schwerer gemacht, die Versorgung sicherzustellen. Stichworte Leistungs-, Budget- und Honorarkürzungen. Die bestehende funktionierende Struktur werde „mutwillig gefährdet“. Alle drei Berufsgruppen berichten, dass der Minister in den bisherigen Gesprächen kein Verständnis für die Probleme und Sorgen der Freiberufler gezeigt habe.
Stattdessen plane der SPD-Politiker Karl Lauterbach den systemischen Wegfall von Leistungen. „Es entsteht ein Zweiklassensystem, das kann der SPD nicht entsprechen.“ Daher appelliert Overwiening an den Bundeskanzler. „Lassen Sie es nicht zu, dass sich das Bundesgesundheitsministerium mit seinen Plänen durchsetzt.“ In den vergangenen Jahren haben die freien Heilberufe gezeigt, dass das System leistungsstark und widerstandsfähig ist, und nicht zerstört werden darf. „Wer eine funktionierende Arzneimittelversorgung haben will, muss bereit sein, darin zu investieren.“ Dafür müsse unter anderem das Apothekennetz gestärkt und dürfe nicht ausgehöhlt werden.
„Bitte verstehen Sie, was gerade passiert“, mahnt Overwiening. Die Lieferengpässe bestimmen den Alltag, die Liste wird immer länger und für die aufwendige Recherche Alternativen zu finden, werden nur 24 Sekunden vergütet. „Wir haben ein nach dem Willen der Politik kaputtgespartes System.“ Dabei würden die Apotheken in der aktuellen Lage einmal mehr beweisen, wie wichtig sie für die Daseinsvorsorge sind.
Abda kontert Plänen für „Apotheken light“
Doch nicht nur die Lieferengpässe seien besorgniserregend, auch die Apothekenzahl ist in den vergangenen Jahren um 20 Prozent zurückgegangen. Gründe seien die politische Förderung des Versandhandels und der Fachkräftemangel. Das geringe Honorar, das seit Jahren nicht angehoben, sondern durch die jetzige Regierung sogar noch gekürzt wurde, sei kein Anreiz für junge Apotheker:innen. „Die Mitarbeiter müssen aufgrund von wirtschaftlichem Druck mit geringeren Löhnen leben.“ Dass der Nachwuchs in Industrie, Krankenkassen oder Kliniken abwandert, ist verständlich.
Die Antwort des Ministers zur Liberalisierung der Apotheken sei ein Vorhaben, das die Zerstörung der Apothekenstruktur zur Folge hat. Mit den „Scheinapotheken“ folge Lauterbach der Fehlannahme, dass sich dadurch mehr Filialen bilden. Die Folgen liegen auf der Hand: Patient:innen werden nachts und am Wochenende vergeblich nach einer Apotheke suchen und im Falle von Lieferengpässen werden in den Scheinapotheken keine Rezepturen als Alternative hergestellt.
„Arztpraxen, Zahnarztpraxen und Apotheken sind nicht nur fester Bestandteil lokaler Infrastrukturen in Deutschland, sie sind auch eine unverzichtbare soziale Instanz für die Bevölkerung und die niedrigschwellige Pforte zur Gesundheitsversorgung in Deutschland“, so erinnern die Vertreter:innen aus Apotheker-, Ärzte- und Zahnärzteschaft abschließend.
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