Hausrecht darf kein Nachteil für Angestellte sein: Weil ein Arbeitgeber von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und ein strengeres Hygienekonzept als die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin festgelegt hat, wurde einem Angestellten der Zugang zum Arbeitsplatz untersagt. Lohn muss der Arbeitgeber dennoch zahlen, wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat. Stichwort Annahmeverzug.
Hygienekonzepte sollen Angestellte vor einer Corona-Infektion am Arbeitsplatz schützen. So auch in einem Berliner Unternehmen, das Lebensmittel für den Handel produziert. Das erstellte Hygienekonzept des Arbeitgebenden war jedoch strenger als die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16. Juni 2020. Konkret ging es um die Quarantänepflicht nach Einreise aus einem Risikogebiet.
Annahmeverzug bei negativem PCR-Testergebnis
Was war passiert? Ein Angestellter war vom 11. August bis zum 14. August 2020 wegen des Todes seines Bruders in die Türkei gereist – diese war zu jener Zeit als Corona-Risikogebiet ausgewiesen. Die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16. Juni 2020 sah nach Einreise aus einem Risikogebiet zwar grundsätzlich eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vor. Ausgenommen waren jedoch Personen, die ein ärztliches Attest sowie ein negatives PCR-Test-Ergebnis – das höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde – vorlegen können, und die keine Corona-Symptome haben.
Doch das Hygienekonzept des Arbeitgebers war strenger. Angestellte, die aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet zurückkehren, haben ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände – Entgeltanspruch besteht nicht.
Als der Angestellte aus der Türkei zurückkam, hatte er sich vor der Ausreise und nach der Ankunft in Deutschland jeweils einem PCR-Test unterzogen – beide Ergebnisse waren negativ. Außerdem bestätigte der Arzt des Angestellten per Attest Symptomfreiheit. Somit kam der Arbeitnehmende den Anforderungen der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin nach. Doch der Arbeitgeber verweigerte dem Leiter der Nachtreinigung für 14 Tage den Zugang zum Betrieb und zahlte für die Zeit keinen Lohn. Der Angestellte klagte und verlangte wegen Annahmeverzugs eine Vergütung in Höhe von 1.512,47 Euro brutto. Denn der Arbeitgeber habe zu Unrecht die Annahme seiner Arbeitsleistung verweigert.
Annahmeverzug: Arbeitgeber:innen dürfen die Arbeitsleistung eines/einer Angestellten ablehnen, wenn „die Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung der dem Arbeitnehmer zuzurechnenden Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist.“ Dafür braucht es jedoch einen rechtlich anerkannten Grund. Fehlt dieser, besteht Annahmeverzug. Mehr noch: Der/die Beschäftigte erhält weiterhin Gehalt. „Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein“, heißt es dazu in § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Das Ergebnis: Der Arbeitgeber muss den Lohn zahlen. Das Berufungsgericht habe richtig erkannt, dass sich der Arbeitgeber mit der Annahme der vom Angestellten angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug befand. Das erteilte Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Angestellten, denn die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung wurde vom Arbeitgeber selbst gesetzt. „Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, war außerdem unbillig (§ 106 GewO) und daher unwirksam“, heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts.
Das Fazit des Gerichts: Erteilt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände, obwohl der Arbeitnehmer entsprechend den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise aufgrund der Vorlage eines aktuellen negativen PCR-Tests und eines ärztlichen Attests über Symptomfreiheit keiner Absonderungspflicht (Quarantäne) unterliegt, schuldet der Arbeitgeber grundsätzlich Vergütung wegen Annahmeverzugs.
Hygienekonzept: Was gilt in Apotheken in puncto Hausrecht?
In den Apotheken verschärfen derzeit Corona-Ausfälle der Mitarbeitenden den Personalmangel. Chef:innen sind in Sorge. Führen sie strengere Vorgaben für das Team ein, beispielsweise, dass nur vollständig geimpfte Kolleg:innen Zutritt zur Apotheke haben, besteht unter Umständen ebenfalls Annahmeverzug. Zwar dürfen Inhaber:innen aufgrund des Hausrechts individuelle Regeln für die Apotheke festlegen – „allerdings nicht auf Kosten der Mitarbeitenden. Das Gehalt muss weitergezahlt werden, wenn diese arbeitsfähig sind und ihre Arbeitskraft anbieten“, stellt die Adexa klar.
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