Amitriptylin zur Erstbehandlung bei Reizdarmsyndrom?
Anhaltende starke Bauchschmerzen, Blähungen sowie Durchfall und/oder Verstopfung gehören zu den häufigsten Symptomen des Reizdarmsyndroms (RDS). Jede/r Siebte leidet hierzulande schätzungsweise an der Erkrankung. Zur Behandlung kommen neben einer Ernährungsumstellung, Pfefferminzöl, Probiotika und Co. auch Amitriptylin ins Spiel. Wie effektiv das Antidepressivum bei RDS wirken kann, zeigt eine neue Studie.
Amitriptylin gehört zu den trizyklischen Antidepressiva. Der nichtselektive Monoamin-Wiederaufnahmehemmer besitzt anticholinerge, analgetische und sedierende Eigenschaften. Amitriptylin blockiert die Rückresorption und somit die Inaktivierung der Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin. Der Wirkstoff kommt zur Behandlung depressiver Erkrankungen wie Episoden einer Major Depression zum Einsatz, aber auch bei neuropathischen Schmerzen und zur Prophylaxe chronischer Spannungskopfschmerzen oder von Migräne.
In einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie untersuchten Forschende der Universitäten Leeds, Southampton und Bristol (England) anhand von mehr als 460 Patient:innen aus 55 Allgemeinarztpraxen, wie sich niedrigdosiertes Amitriptylin in der Primärbehandlung bei Reizdarmsyndrom auf die Gesamtsymptomatik auswirkt.
In der aktuellen S3-Leitlinie zum Reizdarmsyndrom wird Amitriptylin lediglich in der Sekundärbehandlung empfohlen, beispielsweise zur Schmerzlinderung. „Das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin sollte bei Erwachsenen zur Therapie von Schmerzen und globaler Symptomatik (mit Ausnahme von Obstipation) eingesetzt werden“, heißt es.
Reizdarmsyndrom: Amitriptylin lindert Symptome deutlich
Die Teilnehmenden erhielten nach dem Zufallsprinzip über einen Zeitraum von sechs Monaten einmal täglich niedrig dosiertes orales Amitriptylin (10 mg) oder Placebo. Je nach Symptomen und Verträglichkeit konnte die Dosierung über drei Wochen schrittweise auf bis zu 30 mg täglich angepasst werden.
Nach dem Behandlungszeitraum wurde geprüft, ob und wie sich der RDS-Schweregrad – gemessen anhand einer Skala, die Symptome wie Schmerzen, Blähungen, Veränderungen im Stuhlgang einschließt – verändert hat. Dabei zeigte sich, dass sich die Beschwerden unter Amitriptylin deutlich verringerten, und zwar doppelt so häufig wie unter Placebo. Vergaben die Patient:innen vor der Behandlung im Schnitt 273 von 500 möglichen Punkten auf der Skala, reduzierte sich der Wert bei den Amitriptylin-Patient:innen um 99 Punkte, in der Placebo-Gruppe dagegen nur um 69 Punkte.
Unerwünschte Wirkungen traten dagegen nur in sehr wenigen Fällen auf, weshalb die Forschenden Amitriptylin als sichere und wirksame Behandlungsoption einstufen. „Diese neue Studie zeigt, dass Hausärzte Patienten in der Primärversorgung dabei unterstützen sollten, niedrig dosiertes Amitriptylin auszuprobieren, wenn sich ihre RDS-Symptome mit den empfohlenen Erstlinienbehandlungen nicht gebessert haben“, lautet das Fazit.
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