Beinahe jede/r zweite Patient:in nimmt Arzneimittel ein, deren Haltbarkeitsdatum bereits überschritten ist, wie eine Umfrage im letzten Sommer gezeigt hat. Und auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hatte Ende 2022 bereits dazu geraten, im Zweifel abgelaufene Arzneimittel noch anzuwenden, um Lieferengpässe abzufedern. Da wundert es nicht, dass in der Apotheke häufig die Frage aufkommt, ob Medikamente auch nach Überschreiten des Verfalldatums noch genutzt werden können.
Die Beratung zu Arzneimitteln gehört laut § 6 PTA-Gesetz zu den vorgeschriebenen Aufgaben des Berufsbildes des/der PTA. Das gilt sowohl für Rx-Arzneimittel als auch für Präparate im Rahmen der Selbstmedikation. § 20 Apothekenbetriebsordnung regelt, wie die Information und Beratung aussehen sollen. Ein entscheidender Punkt ist die Arzneimittelsicherheit. Um diese zu gewährleisten, gehören nicht nur Hinweise zur sachgerechten Anwendung sowie zu Neben- und Wechselwirkungen zu den Pflichtangaben im Beratungsgespräch, sondern auch die korrekte Lagerung und Entsorgung sollen thematisiert werden. Dabei kommt oftmals die Frage auf, wie mit abgelaufenen Arzneimitteln verfahren werden soll. Eine Abgabe ist gemäß Arzneimittelgesetz bekanntlich tabu. Doch was gilt, wenn Kund:innen abgelaufene Präparate zu Hause haben und fragen, ob sie diese noch anwenden können?
Was in puncto Restlaufzeit gilt, erfährst du hier.
Verfalldatum überschritten: Finger weg von abgelaufenen Arzneimitteln?
Generell gilt: Das Verfalldatum markiert bei Arzneimitteln – vor allem Fertigarzneimitteln – den Zeitpunkt, bis zu dem die Wirksamkeit gewährleistet werden kann und die Packung als verkehrsfähig gilt. Eine Einnahme/Anwendung nach dem Überschreiten des Datums sollte nicht erfolgen. Forschende des Instituts für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Universität Würzburg haben jedoch herausgefunden, dass einige Wirkstoffe noch 20 bis 30 Jahre nach Überschreiten des Verfalldatums stabil waren und der Arzneibuchqualität entsprachen, sprich ihre Wirksamkeit nicht verloren hatten.
Genau wurden mehr als 50 Arzneistoffe mittels potentiometrischer Titration und Flüssigkeitschromatographietechniken auf ihren Gehalt und ihr Abbauprofil untersucht, darunter Betablocker, Sympathomimetika, Anticholinergika, Antiinfektiva, NSAR und Antipsychotika. Lediglich bei einigen wenigen Wirkstoffen wie beispielsweise Atropin und Salbutamol zeigten sich Verunreinigungen oder ein Wirkstoffabbau, während der Großteil der Wirkstoffe auch nach mehreren Jahrzehnten unverändert stabil war und somit noch hätte angewendet werden können.
Doch das bedeutet nicht, dass abgelaufene Arzneimittel generell noch eingenommen werden sollten, warnen die Forschenden. Im Gegenteil. Die Ergebnisse lassen sich nicht pauschalisieren. Denn es brauche individuelle Langzeitstudien zu den jeweiligen Präparaten. Außerdem spielen bekanntlich auch die Darreichungsform sowie die Lagerung eine entscheidende Rolle. Von einer allgemeinen Anwendung abgelaufener Arzneimittel wird daher ausdrücklich abgeraten. Denn neben einer verminderten Wirksamkeit können auch andere – mitunter gefährliche – Effekte auftreten.
Beispiel Tetracyclin: Kommt es bei entsprechenden Präparaten zu einer Wirkstoffzersetzung, kann diese toxisch wirken und das sogenannte Fanconi-Syndrom – eine Funktionsstörung der Nierentubuli – auslösen.
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