Lieferengpässe stehen weiterhin an der Tagesordnung und sorgen in den Apotheken für Mehrarbeit. Weil nun die Antibiotika Doxycyclin und Azithromycin knapp sind, sehen Expert:innen die STI-Versorgung in Gefahr. Demnach könnten nur noch 50 Prozent des Bedarfs gedeckt werden.
Noch immer finden sich mehr als 450 Arzneimittel auf der Liste der beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldeten Lieferengpässe. Dazu gehören auch die beiden Antibiotika Doxycyclin und Azithromycin, die zur Behandlung von sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) zum Einsatz kommen. Die Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärzt:innen für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä), die Deutsche Aidshilfe (DAH) und die Vertretung HIV-kompetenter Apotheken (DAHKA) schlagen Alarm.
Schon jetzt könne bei beiden Wirkstoffen schätzungsweise nur noch die Hälfte des Bedarfs gedeckt werden. Denn nahezu alle Apotheken seien von den Engpässen bereits betroffen. Die Expert:innen sehen folglich die STI-Versorgung in Gefahr – zum wiederholten Mal innerhalb eines Jahres. Denn bis vor Kurzem sorgte der Versorgungsmangel bei der PrEP für Probleme. Ein Skandal, machen dagnä, DAH und DAHKA deutlich.
Doxycyclin gehört zu den Tetracyclinen und blockiert die Proteinsynthese von Bakterien, wodurch ihre Vermehrung gehemmt wird. Der Wirkstoff kommt zur Behandlung von bakteriellen Infektionen wie Harn- und Atemwegsinfekten, aber auch bei Erregern wie Chlamydien zum Einsatz.
Azithromycin zählt zu den Makroliden und hemmt ebenfalls die Proteinbiosynthese von Bakterien. Der Wirkstoff findet meist bei bakteriellen Infektionen der unteren und oberen Atemwege sowie bei Chlamydien Anwendung.
Engpass bei Doxycyclin und Azithromycin: „Kratzen Restbestände zusammen“
Zwar hätten nur vier Hersteller Engpässe bei Doxycyclin und Azithromycin gemeldet. Doch kein Hersteller liefere aktuell in gewohntem Umfang, so DAHKA-Vorstand Erik Tenberken in einer gemeinsamen Pressemitteilung. „Wir zehren von Vorräten und kratzen Restbestände zusammen – lange geht das nicht mehr gut.“ Somit müsse mit Einschränkungen bei STI-Versorgung gerechnet werden.
Und dies berge den Expert:innen zufolge Gefahren für Patient:innen. So stelle Doxycyclin bei Syphilis für Penicillin-Allergiker:innen oftmals die einzige Behandlungsalternative dar, während ein Ausweichen auf Gyrase-Hemmer bei Chlamydien wiederum mit schweren Nebenwirkungen verbunden sei. „Die Lieferengpässe erschweren die bestmögliche Behandlung, schränken den ärztlichen Spielraum bei der Therapie unzumutbar ein und gefährden damit das Wohl unserer Patienten“, macht dagnä-Vorstand Dr. Heiko Karcher klar.
Handlungsaufforderung an die Politik
Als Ursache für die Engpässe bei Doxycyclin und Azithromycin nehmen dagnä, DAH und DAHKA dieselben an, die für den Versorgungsmangel bei der Kombi Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil gesorgt hatten: mangelhafte Meldeverfahren für Engpässe, fehlende Transparenz und die Konzentration auf nur noch wenige, überwiegend außereuropäische Anbieter am Markt. „Wir fordern die Politik auf, endlich entschieden zu handeln“, so DAH-Vorstandsmitglied Ulf Kristal. Denn die bisher ergriffenen Maßnahmen – sowohl hierzulande als auch in der EU – reichen nicht aus. Patient:innen hätten jedoch ein Recht auf die wirksamste und beste Therapie – „es kann nicht sein, dass sie sich mit Notlösungen zufriedengeben müssen“, macht dagnä-Vorstand Karcher klar.
Die Forderungen: Lieferketten müssten diversifiziert, die Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln in Europa nachhaltig gestärkt, wirksame Maßnahmen zur ausreichenden Vorratshaltung getroffen und Mechanismen der Preisgestaltung für Arzneimittel in Deutschland überdacht werden. Denn die aktuellen Zustände seien nicht mehr hinnehmbar.
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