Durch die sich schnell einstellende und besonders starke Abhängigkeit ist der heute als Chrystal Meth bekannte Stoff Methamphetamin besonders tückisch. Kaum zu glauben, dass Methamphetamin früher rezeptfrei in der Apotheke erhältlich war – unter dem Namen Pervitin.
Die erste Synthese von Methamphetamin gelang dem japanischen Chemiker Nagayoshi Nagai im Jahr 1893. In Deutschland wurde erst ab 1934 an einem Herstellungsverfahren für Methamphetamin geforscht. Die Berliner Temmler-Werke fanden eine Möglichkeit der groß angelegten Herstellung und brachten im Jahr 1938 nach Patentierung ihres Verfahrens das Fertigarzneimittel Pervitin freiverkäuflich auf den Markt.
Wirkung und Gefahr
Die Wirkung von Methamphetamin basiert auf der Freisetzung von Serotonin und Dopamin. Durch die schnelle Überwindung der Blut-Hirn-Schranke und den langsamen Abbau der Substanz kann die berauschende Wirkung bis zu 16 Stunden anhalten. Durch die sich entwickelnde Toleranz wird aber bei langfristigem Gebrauch eine stetige Dosissteigerung nötig, um eine berauschende Wirkung zu erzielen. Als angenehm werden von Konsument:innen die entstehende Euphorie, das gehobene Selbstwertgefühl, die scheinbar verbesserte Leistungsfähigkeit und die erhöhte Risikobereitschaft nach der Anwendung wahrgenommen. Allerdings können auch negative Effekte wie eine unstillbare innere Unruhe, Nervosität, Aggressivität und Panikattacken auftreten.
Der regelmäßige Konsum hoher Dosen von Methamphetamin bringt schwere körperliche und psychische Veränderungen mit sich:
- Dämpfung des Hunger- und Durstgefühls und damit einhergehender Gewichtsverlust und Dehydratation
- Schlafstörungen durch extrem lange Wachphasen
- Halluzinationen, die starken Juckreiz hervorrufen (Wahnvorstellung, dass kleine Käfer unter der Haut leben)
- Zahnausfall und Mundfäule
- Herzrhythmusstörungen, Lungen- und Nierenschäden
- Hirnschädigungen
- starkes Zittern der Arme, Beine und Hände
- Gefahr der Hyperthermie
Methamphetamin als offizielles Arzneimittel: Pervitin
Unter dem Markennamen Pervitin war der Stoff Methamphetamin in der Zeit des Zweiten Weltkriegs ein willkommenes Aufputschmittel. Nach der Markteinführung im Jahr 1938 wurde Pervitin in den Apotheken rezeptfrei an jede/n abgegeben, der/die es haben wollte. Die positiven Effekte des Methamphetamins, das als „Wachmacher“ oder „Weckamin“ bezeichnet wurde, bescherten einen breiten Kundenstamm. In allen Berufsgruppen war das Arzneimittel beliebt, um schneller und konzentrierter arbeiten zu können. Über die Nebenwirkungen oder das hohe Suchtpotential waren keine Informationen bekannt und so wurde Pervitin in Massen konsumiert. Nicht nur Tabletten, sondern auch Schokolade mit Methamphetamin, die als „Hausfrauenschokolade“ bezeichnet wurde, erfreute sich großer Beliebtheit. Der Werbeslogan „Pervitin macht die Hausfrau fröhlich“ ließ allerdings nicht erahnen, was Methamphetamin tatsächlich mit den Konsument:innen anrichtete.
Auch die Soldaten im Krieg nahmen im großen Stil Pervitin zu sich. Es gehörte in jedes Marschgepäck und wurde eingesetzt, um Angst, Hunger und Müdigkeit einzudämmen sowie für eine Leistungssteigerung und eine erhöhte Risikobereitschaft zu sorgen.
Durch die regelmäßige Einnahme von mitunter sehr hohen Tagesdosen entwickelte sich bei vielen Personen eine starke Abhängigkeit, die mit körperlichem Verfall und Psychosen einherging. Zum Schutz der Bevölkerung wurde Pervitin im Jahr 1941 rezeptpflichtig und als Betäubungsmittel deklariert, aber der Schwarzmarkt mit Methamphetamin florierte weiterhin. Bis zum Jahr 1988 wurde Pervitin in deutschen Apotheken noch regelmäßig auf Rezept abgegeben, bis der Vertrieb dann schlussendlich gänzlich eingestellt wurde.
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