Mindestens rund eine halbe Million Menschen ist hierzulande blind oder (hochgradig) sehbehindert, informiert der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband. Die Gründe für ein Erblinden oder eine Sehbehinderung sind vielfältig. Auch in der Apotheke hast du es in der Beratung mitunter mit blinden oder sehbehinderten Kund:innen zu tun. Dann ist neben Fingerspitzengefühl besonders deine Expertise gefragt.
Bei der Versorgung von blinden oder sehbehinderten Kund:innen können vor allem Rabattverträge und/oder Lieferengpässe zum Problem werden. Stichwort Arzneimittelaustausch. Sind Patient:innen mit einem bestimmten Medikament vertraut, ist die Umgewöhnung auf ein neues Präparat schwierig, erst recht, wenn es Unterschiede bei der Einnahme gibt. Ist ein Austausch unvermeidbar, muss sichergestellt sein, dass alle Hinweise zum abgegebenen Arzneimittel verstanden wurden. Alternativ können unter Umständen pharmazeutische Bedenken gegen den Austausch geltend gemacht werden, um die Therapiesicherheit nicht zu gefährden.
Hinzukommt, dass zwar Hinweise auf der Verpackung von Arzneimitteln gemäß Blindenschrift-Kennzeichnungs-Verordnung seit 2006 auch in Blindenschrift (Braille) aufgebracht sein müssen. In der Packung liegt jedoch die Gebrauchsinformation meist nur in gedruckter Form vor.
Hier kannst du Betroffene auf eine kostenfreie Telefon-Hotline (Rufnummer 0800 1236321) hinweisen. „Über diese Nummer können sich die Anrufer mit dem Unternehmen verbinden lassen, das für das betreffende Arzneimittel verantwortlich ist. Die Gebrauchsinformation kann dort wahlweise vorgelesen oder in anderer geeigneter Form zugänglich gemacht werden“, informiert der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Wurde die Packungsbeilage über den PatientenInfo-Service der Rote Liste Service GmbH bereits in elektronischer Form bereitgestellt, werden Patient:innen laut BAH direkt zur Audioversion der Gebrauchsinformation verbunden.
Übrigens: Gemäß § 11 Absatz 3c Arzneimittelgesetz, müssen Hersteller dafür sorgen, „dass die Packungsbeilage auf Ersuchen von Patientenorganisationen in Formaten verfügbar ist, die für blinde und sehbehinderte Personen geeignet sind.“
Blinde und sehbehinderte Kund:innen: Kommunikation ist alles
Zugegeben, blinde oder sehbehinderte Kund:innen in der Apotheke können hinter dem HV-Tisch für eine gewisse Hemmschwelle sorgen. Immerhin besteht oft die Angst, etwas falsch zu machen. Generell gilt: Hilfsbereitschaft zeigen, aber nicht übertreiben. So kannst du Patient:innen beispielsweise anbieten, sie zum Ausgang zu begleiten, solltest sie aber nicht ungefragt am Arm fassen oder anderweitig berühren.
Im Beratungsgespräch selbst ist deine Kommunikationsstärke gefragt. Da der/die Kund:in nicht sieht, was du gerade machst, solltest du ihm/ihr dies genau mitteilen. Das gilt insbesondere, wenn du den HV verlässt, um das verordnete Präparat aus dem Lager zu holen. Außerdem solltest du stets mit dem/der Patient:in direkt und auf Augenhöhe sprechen anstatt über Dritte – beispielsweise Ehepartner:innen – zu kommunizieren. Außerdem gilt: Blickkontakt halten. Klingt komisch, ist jedoch für den/die Gegenüber trotz Sehbehinderung spürbar. Die Sorge, dass dir eine falsche Bemerkung, zum Beispiel mit dem Wort „sehen“, herausrutscht, gilt es abzulegen. Solange du dich insgesamt rücksichts- und respektvoll verhältst, ist dies für viele Patient:innen kein Problem. Verzichte dabei auf Bevormundungen und Belehrungen, sondern behandle blinde und sehbehinderte Kund:innen (fast) genauso wie andere Patient:innen.
Achtung: Einige blinde oder sehbehinderte Kund:innen haben einen Hund als Unterstützung bei sich. Generell haben Tiere zwar in den offiziellen Betriebsräumen wie dem HV-Bereich nichts verloren, bei Blindenhunden kann jedoch unter Umständen eine Ausnahme gemacht werden.
Das könnte dich auch interessieren
Mehr aus dieser Kategorie
ADHS: Agakalin ist wieder lieferbar
Der Versorgungsengpass bei Atomoxetin ist durch einen Qualitätsmangel begründet, der in der Herstellung der Hartkapseln aufgetreten ist und starke Schwankungen …
Englische Ware: Trulicity fehlt bis 2026
Trulicity (Dulaglutid) kann bis zum 31. Dezember 2025 in englischer Aufmachung in Verkehr gebracht werden. Lilly kann seit knapp zwei …
BisoASS: ASS und Bisoprolol als Single Pill
Mit BisoASS bringt Apontis Pharma Acetylsalicylsäure und Bisoprolol als Single Pill auf den Markt. Die Fixkombi kommt in zwei verschiedenen …