Seit dem 1. August gelten die neuen erleichterten Abgaberegeln. Eigentlich sollte alles klar sein. Eigentlich. Denn in der Praxis stellen sich verschiedene Fragen, weil das Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) Spielraum für Interpretation lässt. Unter anderem in puncto Nichtverfügbarkeit. DAV und GKV-Spitzenverband sind im Gespräch.
Der neu eingefügte § 129 Absatz 2a Sozialgesetzbuch (SGB) V sorgt für Wirbel und bedarf einer Klärung. „Abweichend von Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 und dem Rahmenvertrag nach Absatz 2 können Apotheken bei Nichtverfügbarkeit eines nach Maßgabe des Rahmenvertrags nach Absatz 2 abzugebenden Arzneimittels dieses gegen ein verfügbares wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen.“ Die Rede ist von einem nicht verfügbaren abzugebenden Arzneimittel und nicht von allen in Betracht kommenden Präparaten. Stichworte Rabattpartner und Abgaberangfolge.
Der Passus kann so interpretiert werden, dass die Apotheke bei Nichtverfügbarkeit eines einzigen Rabattartikels in der Auswahl frei ist. Gleiches gilt, wenn kein Rabattvertrag vorliegt und eines der vier preisgünstigen Arzneimittel abgegeben werden muss. Das hat auch Auswirkungen auf die Anzahl der Defektbelege.
Es genügt ein Defektbeleg, wenn Apotheken von nur einem Großhandel beliefert werden – sonst sind zwei Defektbelege nötig. Das abzugebende Arzneimittel gilt als nicht verfügbar, wenn es in einer angemessenen Frist nicht beschafft werden kann. Dies muss die Apotheke dokumentieren – es genügt ein Defektbeleg, wenn Apotheken von nur einem Großhandel beliefert werden – sonst sind es zwei Defektbelege. Und zwar für jedes nicht verfügbare Arzneimittel. Somit könnten ein beziehungsweise zwei Defektbelege ausreichend sein, wenn die Apotheke bei Nichtverfügbarkeit eines einziges Rabattartikels freie Auswahl hat. Ist dies nicht der Fall, können mehrere Defektbelege nötig sein, nämlich für jedes Rabattarzneimittel und jedes nicht verfügbare Arzneimittel der preisgünstigsten entsprechend der Abgaberangfolge.
Hinzukommt, dass in § 129 Absatz 2a SGB V „abweichend“ steht. Dies verstärkt die Interpretation, dass die Apotheke bei Nichtverfügbarkeit eines einzigen preisgünstigen Arzneimittels in der Auswahl eines wirkstoffgleichen Arzneimittels frei ist. Wäre dies nicht der Fall und muss die Apotheke die Verfügbarkeiten aller vier preisgünstigsten Präparate prüfen und entsprechend dokumentieren, bietet das ALBVVG keinen Vorteil zu den ohnehin bislang geltenden Vorgaben im Rahmenvertrag.
Weil die Kassen dieser Interpretation nicht zustimmen, befinden sich DAV und GKV im Gespräch, um die Retaxgefahr abzuwenden.
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