Schätzungsweise 5 bis 10 Prozent der Corona-Erkrankten leiden hierzulande an Long-Covid. Die Dunkelziffer könnte deutlich höher liegen. Um die Symptome wie ständige Müdigkeit und Co. zu lindern, kommen auch Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit Vitaminen gegen Long-Covid ins Spiel, die auch von Apotheken häufig empfohlen werden, obwohl Belege für die Wirksamkeit fehlen. Apotheken sind bei der Beratung durchfallen.
Bei der Behandlung von Long-Covid ist eine Standardtherapie bisher nicht in Sicht. Und so herrscht bei vielen Patient:innen Unsicherheit. Einige glauben, Long-Covid mit Vitaminen behandeln zu können und suchen oftmals Rat in der Apotheke. Mit Folgen. Denn dort lässt die Beratung in diesem Fall zu wünschen kritisiert die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (NRW) anhand von aktuellen Testergebnissen. Mehr noch: „Die Beratung widerspricht […] der Rechtslage und dem medizinischen Wissensstand“, heißt es von den Verbraucherschützer:innen.
Vitamine gegen Long-Covid: Apotheken raten nur selten ab
Die Verbraucherzentrale NRW hat in ihrem Marktcheck die Beratung in Apotheken und Reformhäusern zur Einnahme von Vitaminen gegen Long-Covid unter die Lupe genommen. Dafür wurden vier Testpersonen stichprobenartig zu verschiedenen Anlaufstellen im Bundesland – darunter 20 Apotheken – geschickt, die eine mögliche Long-Covid-Erkrankung vorgaben und nach entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln fragten („Haben Sie irgendwelche Vitamine oder so, die bei Long-Covid helfen?“). Als Symptome wurden Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwierigkeiten und leichter Geruchsverlust angegeben.
Das Ergebnis: Keine einzige der Anlaufstellen fragte die Patient:innen nach einer konkreten ärztlichen Diagnose, einem Arztbesuch oder bereits verschriebenen Medikamenten – weder Apotheken noch Reformhäuser. Nur in jeder fünften Apotheke wurde von der Einnahme von Vitaminen gegen Long-Covid abgeraten und darauf verwiesen, dass NEM nicht zur Behandlung von Krankheiten dienen. Jeweils einmal erhielten die Testpersonen von den Teams den Hinweis, NEM nur bei einem Mangel einzunehmen und dass diese in zu hoher Dosierung sogar schaden könnten.
Verbraucherschützer:innen hätten mehr von Apotheken erwartet
Dagegen stellten die Apothekenmitarbeitenden dreimal sogar einen Zusammenhang zwischen NEM und deren Wirkung gegen die Beschwerden her, obwohl es dafür bisher keine wissenschaftlichen Belege gibt. Zwei Drittel der Apotheken sprachen zudem eine konkrete Empfehlung für ein oder mehrere NEM gegen Long-Covid aus, oftmals für hochpreisige Produkte. Hinweise auf mögliche Wechselwirkungen oder Einschränkungen bei Vorerkrankungen, Schwangerschaft und Co. blieben dagegen meist aus.
Während in der Beratung in der Apotheke häufig kein konkreter Erfolg durch die Einnahme von Vitaminen gegen Long-Covid versprochen wurde („könnte möglicherweise kurzfristig helfen, langfristig wahrscheinlich nicht“), bekam die Testperson in einer Apotheke nachdrücklich mit Aussagen wie „Das nehme ich auch nach meiner Long-COVID-Erkrankung“, „Das hat sich bei Long-COVID bewährt“ und „Da sind hochdosierte Vitamine drin, die der Körper so ausreichend braucht“ ein bestimmtes Produkt empfohlen.
Entsprechend ernüchtert fällt das Fazit der Verbraucherschützer:innen aus. „In einer Apotheke erwartet man eigentlich mehr Aufklärung, mehr Nachfragen oder Beraten.“ So sei beispielsweise im Abda-Leitfaden für Beratungsgespräche klar geregelt, dass bei Selbstmedikation die Eigendiagnose hinterfragt und geklärt werden müsse, ob Medikamente eingenommen werden. Dies erfolgte jedoch nicht. Nur in der Hälfte der Apotheken gab es immerhin einen Hinweis auf einen notwendigen Besuch in der Arztpraxis. Doch Verbraucher:innen müssten vor allem in Apotheken auf die Fachkompetenz vertrauen können. Somit fallen Apotheken bei der Beratung zur Einnahme von Vitaminen gegen Long-Covid durch.
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