Dass Frauen hierzulande mitunter deutlich weniger verdienen als Männer, ist bekannt. Doch auch in Sachen Gesundheitsversorgung gibt es Unterschiede nach Geschlecht. Stichwort Gender Health Gap. Von uns erfährst du, was dahintersteckt.
„Viele Erkrankungen verlaufen bei Frauen anders als bei Männern und auch die Symptome unterscheiden sich häufig“, informiert der Gemeinsamen Bundesausschuss. Die Folge sind mitunter Fehldiagnosen. So ist sich jede/r zweite Hausärzt:in unsicher, ob durch ihn/sie bereits eine fehlerhafte Diagnose aufgrund von geschlechtsspezifischen Unterschieden gestellt wurde, zeigt eine Befragung der AXA Versicherung. „Das Fehlen einer geschlechtsspezifischen Forschung und Gesundheitsversorgung wird auch als ,Gender Health Gap‘ bezeichnet“, heißt es dort.
Bei der Arzneimitteltherapie zählt das Geschlecht
Doch damit nicht genug, denn auch in Sachen Behandlung macht sich die Gender Health Gap bemerkbar. „Frauen und Männer erkranken nicht nur unterschiedlich, sie brauchen auch andere Therapien“, stellt die Apothekerkammer (AK) Niedersachsen klar. Der Grund: Bedingt durch die genetischen und hormonellen Unterschiede gibt es meist auch Abweichungen in Sachen Arzneimittelverträglichkeit.
Ein Beispiel ist laut der Kammer die Verordnung fettlöslicher Arzneimittel. Da weibliche Patientinnen generell einen höheren Körperfettanteil haben als männliche, werden entsprechende Präparate bei Frauen eher gespeichert. Außerdem unterscheidet sich auch die Größe der Organe, beispielsweise der Nieren, die eine zentrale Rolle für die Verstoffwechselung von Arzneimitteln spielen. Aufgrund der geringeren Größe braucht dies bei Frauen mehr Zeit als bei Männern. Hinzu kommen Unterschiede bei der Wahrnehmung von Schmerzreizen und Co.
Gender Health Gap: Zu wenig Aufklärung über geschlechtsbedingte Unterschiede
Das Problem: Während geschlechtsbedingte Unterschiede bei Erkrankungen einem Großteil der Bürger:innen bekannt sind, wie Zahlen der Betriebskrankenkasse Pronova BKK zeigen, wird dies bei der Verordnung offenbar nicht immer berücksichtigt. So bekommen Frauen mehr inadäquate Arzneistoffe verordnet als Männer, informiert die AK Niedersachsen. Kein Wunder, dass sie häufiger unerwünschte Nebenwirkungen zeigen.
Übrigens: Auch die Erprobung neuer Arzneimittel und deren Wirksamkeit fand überwiegend bei Männern statt. Erst seit Kurzem ist es in der EU verpflichtend, bei der Arzneimittelforschung eine Geschlechterauswertung vorzunehmen.
Hinzukommt, dass nur etwa jede/r Dritte in der Arztpraxis bisher über die unterschiedliche Wirkung von Medikamenten bei Männern und Frauen aufgeklärt wurde. Und auch in den Apotheken sei das Wissen über geschlechtersensible Medizin noch nicht flächendeckend verbreitet. „Dabei könnten sie eine wichtige Funktion in der Aufklärung der Patienten vor Ort wahrnehmen“, heißt es von Dr. Dirk Keiner, Chefapotheker am Hufeland Klinikum in Weimar, gegenüber der Kammer.
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