Im HV begegnen dir die unterschiedlichsten Kund:innen. Das gilt auch in Sachen Gesundheitszustand. Dazu gehören Patient:innen, die offensichtlich unter starkem Medikamenten- oder Alkoholeinfluss sind. Knifflig wird es jedoch, wenn diese mit dem Autoschlüssel vor dir stehen und selbst fahren wollen. Doch darfst du fahruntaugliche Patient:innen melden – beispielsweise bei der Polizei?
Was du während der Beratung mit Kund:innen besprichst, ist vertraulich und du musst es in der Regel – mit Ausnahme von Arztrücksprache – für dich behalten. Denn die Schweigepflicht in § 203 Strafgesetzbuch (StGB) gilt auch für Apotheker:innen und andere Heilberufler:innen mit staatlicher Ausbildung. So weit, so bekannt. Doch sie kann umgangen werden. Demnach sieht § 34 StGB „Rechtfertigender Notstand“ Ausnahmen vor. Gehört dazu auch das Melden von fahruntauglichen Patient:innen?
Fahruntaugliche Patient:innen als Ausnahme von der Schweigepflicht?
Um die Schweigepflicht verletzten zu dürfen, braucht es einen wichtigen Grund. Dazu heißt es im Gesetz: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“
Heißt im Klartext: Sehen Apothekenangestellte eine unmittelbare Gefahr, die sich nicht anders abwenden lässt als durch einen Verstoß gegen die Schweigepflicht, ist dieser zulässig – wenn der Schutz vor der drohenden Gefahr schwerer wiegt als der Schutz der Privatsphäre von Kund:innen. Ein/e Patient:in an die Polizei/die Verkehrsbehörde zu melden, der/die trotz eingeschränkter Reaktionsfähigkeit Auto fahren will und damit sich und andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringt, könnte einen solchen Ausnahmefall darstellen. Stichwort Gefahr in Verzug.
Das Problem: Das Vertrauensverhältnis zu dem/der Betroffenen wird dadurch stark beeinträchtigt. Bevor du dich also dazu entscheidest, solltest du zunächst versuchen, andere Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise gemeinsam mit Kolleg:innen oder der Apothekenleitung vom Fahren abraten beziehungsweise auf die Fahruntauglichkeit hinweisen, ein Taxi rufen oder den/die Patient:in auf dem Heimweg zu Fuß zu begleiten. Eine Pflicht zum Melden fahruntauglicher Patient:innen besteht nicht.
Übrigens: Neben Antihistaminika, Schlafmitteln und Pseudoephedrin-haltigen Präparaten kann auch die Einnahme von alkoholhaltigen Arzneimittel die Reaktionsfähigkeit beinträchtigen. Demnach müssen Kund:innen ab einem Alkoholgehalt von 3 g in der Einzeldosis darauf hingewiesen werden, wie die Apothekerkammer Niedersachsen klarstellt.
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